Was mein Ohr hören wollte, hat Kardinal Schönborn nicht gesagt

Auf http://religion.orf.at/projekt03/news/1012/ne101220_schoenborn_hofburg._fr.htm berichtet der ORF von der Rede Kardinal Schönborns in der Hofburg unter den Titel „Es sollte ein Ruck durch das Land gehen“.
Mein Auge hätte gerne diesen Bericht gelesen.

Schönborn: Es sollte „ein Ruck durch die Kirche gehen“

Österreich braucht dringend, dass „ein Ruck durch die Kirche geht“: Kardinal Christoph Schönborn wies am Sonntag bei einer programmatischen Ansprache in der Wiener Hofburg darauf hin, dass bei vielen Christen eine tiefe Skepsis gegen die Kirchenpolitik und den Bischöfen in diesem Land herrsche.  Man traue ihnen nicht mehr zu, Lösungen für die Probleme der Kirche zu finden und jene Reformen zustande zu bringen, von denen alle wüssten, dass sie notwendig sind: Wiederverheiratet Geschiedene, Frauenpriestertum, Zölibat, Bischofsbestellungen, Sexualität.

Entscheiden und Handeln

Die eigentliche Aufgabe der Bischöfe und aller kirchlichen Verantwortungsträger sei das „Entscheiden und Handeln“, mahnte der Wiener Erzbischof bei der „Stephans-Matinee“ zugunsten der Restaurierung des Stephansdoms in den Redoutensälen der Wiener Hofburg.

Wahrheit

Kardinal Schönborn plädierte für „Mut zur Wahrheit“. Ingeborg Bachmanns Wort „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ gelte auch für die Kirche, so der Kardinal. Dass seit Beginn der Missbrauchskrise die Kirche um durchschnittlich 50 Prozent höhere Kirchenaustritt hat, könne nicht zu Optimismus Anlass geben: „Da können Pfarrer, Pastoralassistenten, ehrenamtlich Engagierte und diözesane Referenten noch so sehr um Gutwetter-Stimmung bemüht sein, es geht sich einfach nicht mehr aus“. Vor der Wahrheit nicht die Augen zu verschließen, sondern auf Herausforderungen zu reagieren sei der einzige Weg, um wieder zur Hoffnung zu kommen, betonte Schönborn.

Verantwortung übernehmen

Wörtlich stellte der Kardinal fest: „Alle müssen Verantwortung übernehmen. Wir dürfen nicht alles auf Rom schieben und alles von Rom erwarten. Fragen wir uns nicht, wie wir Rom bestmöglich ausnützen können, sondern was wir für die österreichische Kirche tun können, wie es vor Jahrzehnten John F. Kennedy formuliert hat.“ Die Leistungen „der Kirche“ würden ja in Österreich zum größten Teil von jenen fünf Millionen Kirchenbeitragszahlern bezahlt, die 1,1% ihres Einkommens an die Kirche abliefern.

Gemeinwohl

Problemen auszuweichen verursacht laut Schönborn „jene Missstimmung, jenes diffuse Unbehagen und jene schleichende Unzufriedenheit, die wir alle spüren und beobachten“. Mit dem Vertrauensverlust in die Gestaltungskraft der öffentlichen Akteure in der Kirche gehe eine oft kompromisslose Durchsetzung von Einzel- und Sonderinteressen auf Kosten der Gemeinschaft einher. Jeder Vorschlag, der einer gut organisierten Gruppe wie Opus Dei oder den Legionären Christi Verzichte abverlangt, werde mit dem Hinweis auf „wohlerworbene Rechte“ abgelehnt: „Auf der Strecke bleiben jene, die keine römisch-klerikale Lobby haben.“

Spürbarer Ruck

Kardinal Schönborn betonte zugleich, dass heute der „Ruck durch die Kirche“ bereits zu spüren sei. Die sogenannten „Laien“ seien offensichtlich bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen. In diesem Zusammenhang dankte der Erzbischof den vielen Menschen, die in der Kirche ehrenamtlich tätig sind: „Im Jahr des Ehrenamtes gilt es, den Vielen zu danken, die in unserer Kirche – und weit darüber hinaus – Zeichen der Hoffnung setzen.“