Weckt die Welt – und Kirche auf

Pfingsten steht vor der Tür. Wer kirchlich sozialisiert ist, hört das Brausen des Windes, spürt die Erschütterungen, steht vor dem Durcheinander der Sprachen, merkt das nicht Verstehen können. Wehen und Schmerzen plagen den Menschen und die Welt. Es wird etwas geboren, Neues bahnt sich an, sucht den Weg. Es ist die Geburtsstunde des Neuen, „der Kirche“.  Das neue geistvolle, hinhörende, geschwisterliche und empathische Miteinander auf Augenhöhe bricht an. Zu Pfingsten. Toll. Überraschend für viele. Unvorstellbar in dieser heutigen Welt. „Mit dieser faden, alten und moralinsauren Kirche in unseren Breiten wird das nie gehen“, höre ich das gängige Klischee sagen.

Eine Ordensfrau begeistert Italien

sr.christina_raiEine 25 Jahre alte katholische Ordensfrau aus Sizilien ist die „Stimme Italiens“. Cristina Scuccia gewann Freitagnacht das Finale der Talenteshow „The Voice of Italy“ im staatlichen italienischen Fernsehen. Nach der Bekanntgabe ihres Sieges stimmte die Ursulinen-Schwester, deren erster Auftritt im März mittlerweile auf dem Videoportal „Youtube“ mehr als 50 Millionen Mal aufgerufen wurde, zur Verblüffung des Moderators auf der Bühne ein Vaterunser an und lud das Publikum ein, mitzubeten. Im Finale setzte sich die stimmgewaltige Sängerin in schwarzer Ordenstracht nach mehr als drei Stunden und fünf Gesangseinlagen gegen drei Mitbewerber durch. Zuletzt bot sie mit dem Hit „What a Feeling“ eine Show, die selbst Whoopi Goldberg, das filmische Urbild der rockenden Nonne aus „Sister Act“, alt aussehen ließ. Die Ordensfrau sang bis ins Finale Lieder, die die Themen der heutigen Menschen sind. Die Kathpress schreibt in ihrer Aussendung den Satz: „Auch auf ihrem Weg ins Finale sang Scuccia meist von Dingen, die im Leben einer Ordensfrau keine Rolle spielen sollten.“  Sollten? Klischee bedient. Dabei ist es genau umgekehrt: Diese Ordensfrau geht ganz selbstverständlich mit den Themen der Menschen heute um, weil sie ihren Weg gefunden und in ihrer Gemeinschaft Rückhalt hat. Gerade Ordensfrauen wissen über die Themen der heutigen Menschen sehr gut bescheid, von Krankheiten bis hin zur Prostitution. Aber: Das Klischee von der moralinsauren und faden Kirche schlägt wieder zu. Da gehört dann auch der Verweis auf den Gehorsam in der Kathpress-Meldung. Alles „in Ordnung“. Diese Sr. Cristina stellt sich in einen Kontext, der vielen Menschen und Medien heute wichtig ist. Mit Freude und Begeisterung singt sie. Der kirchliche Zeigefinger bleibt bei ihr unten. Wahrnehmen und da sein. Das ist es.

Dumpfe Mönche harren im Gebetwecker_900

Wer das Buch „Mönch und Krieger“ von Konstantin Wecker zur Hand nimmt, dort Seite 42 aufschlägt, wird Provokantes lesen, das auch in die Zeit vor Pfingsten gehört. Also vor Pfingsten, um die Geburt des Neuen voranzutreiben. Wecker sucht seinen persönlichen Weg zwischen Mönch und Krieger. Unglaublich Tiefsinniges und auch viel (Kirchen)Kritisches begegnet uns in den Liedern dieses Liedermachers und Poeten. Hier steht: „Es gibt in meinen früheren Liedern eine Menge religion
skritischer Aussagen. Einige dieser Zeilen handeln sogar von Mönchen: ‚Dumpfe Mönche harren im Gebet, sei totzufahren würde sich nicht lohnen.‘ Damit meinte ich aber nicht den Mönch im guten Sinn, den aufrechten Sucher, der sich durch Verzicht dem Wesentlichen annähert. Die ‚Mönche‘ in meinem Gedicht sind eher dumpfe Mitläufer in einem katholsichen System. An einer anderen Stelle schrieb ich: ‚Die Herren Götter danken ab, jetzt muss es gottlos weitergehen.‘ Es ging mir dabei aber immer nur um die Götzen, um jene, die Macht über uns ausüben wollen, indem sie uns zu einem falschen, kritiklosen Respekt nötigen. Heute wären diese „Herren Götter“ vielleicht Spekulanten oder Banker.“ Soweit Wecker.

Pfingsten als Erwachen

Pfingsten ist ein Erwachen. Wenn ich drei Worte an Pfingsten vergeben dürfte, würde ich sagen: hellwach – aufrecht – verbunden. Das ist die tiefe Sehnsucht der Menschen heute. Hört auf mit dem „Zubrüllen“ meiner Sinne. Schafft diese demütigenden „Zwischendecken und Membranen“ weg. Lasst uns doch vorbehaltlos und absichtslos begegnen. Das Leben ist doch kein Geschäftsmodell. „Ordensfrauen und -männer sind heute per se Transzendenz-Wegweiser “ habe ich dieser Tage einen Artikel auf ordensgemeinschaften.at getitelt. Sr. Cristina ist zu so einer Transzendenz-Wegweiserin geworden. Sie hat das freudig, leidenschaftlich und selbstbewusst auf die Bühne gebracht, was so viele Menschen sehnsüchtig erwarten. Weckt nicht nur die Welt, sondern auch „die Kirche“ auf.

 

 

1 Kommentar

    • Josef Pfisterer auf 7. Juni 2014 bei 10:21

    Lieber Ferdinand!

    Danke für deine wunderbaren Gedanken zum bevorstehenden Pfingstfest. Die Kirche braucht Persönlichkeiten, wie die “Stimme Italiens” Sr. Cristina. Ich hatte Freudentränen beim Lesen dieser Nachricht. „Unsere“ KIRCHE braucht aber auch „einfache“ Menschen – wie du und ich.

    Viele liebe Grüße
    Josef

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