Wenn einer nur Demokratie sagt

Am 24. Okt 2019 fand das 13. Linzer Religionsgespräch statt. Jetzt ist wieder mehr Zeit, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Die Zusammensetzung des Podiums mit dem neuen Nationalratsabgeordneten Stefan Kaineder, der Direktorin der ksoe Magdalena Holztrattner und dem Präsidenten der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Österreich Ümit Vural versprach einen spannenden Abend. War er auch. Ein kleines, aber wesentliches Detail halte ich hier fest. Gerade auch zum Nationalfeiertag.

Demokratie alleine ist zu wenig

Stefan Kaineder schilderte seine Eindrücke, Wahrnehmungen und persönlichen Emotionen anläßlich seines ersten Tages im Österreichischen Parlament als neuer Abgeordneter. Die Angelobung selber, die MandatarInnen der anderen Fraktionen, die Grünen wieder in dieser Stärke mit dabei, die Ansprachen, Wortmeldungen und die Stimmung. Zum Thema des Abends passend schilderte er sinngemäß, dass der neu gewählte Präsident des Nationalrates Wolfgang Sobotka in seiner Ansprache betonte, dass mehr oder weniger nicht immer betont werden muss, dass wir in einer liberalen Demokratie leben und diese wollen. Die Demokratie ist aus seinem Selbstverständnis heraus auf Freiheit – also „liberal“ – ausgerichtet. Soweit im Parlament. Der Bundespräsident hörte auf der Tribüne zu. Stefan Kaineder erzählte weiter vom anschließenden Empfang der Parlamentarier beim Bundespräsidenten. In seiner Ansprache dort hat Präsident Alexander van der Bellen den anderen Präsidenten korrigiert. Sinngemäß: Wer nur von Demokratie alleine spricht, meint zwar die freie Wahl und die Selbstbestimmung der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler. Diese Mehrheit kann mit Macht und Wucht über die Minderheiten „drüberfahren“ und beispielsweise Grundrechte mit ihren Mehrheiten außer Kraft setzen. Und genau das ist das Gegenteil von „liberaler Demokratie“, die die Freiheiten und Grundrechte in gleicher Weise für jeden einzelnen Menschen zu schützen hat. Ungarn ist eine Demokratie, hat aber defacto Grundrechte „demokratisch“ abgeschafft. Beispiel Pressefreiheit. Und Orban war des öfteren bei den Türkisen als Vorbild zu Gast. Deshalb ist für mich klar, dass Sobotka das bewusst so gesagt hat und es ist hervorragend, dass der Bundespräsidenten den Parlaments-Präsidenten an die österreichische Verfassung einer „liberalen Demokratie“ erinnert. Eine scheinbare Nebensächlichkeit offenbart den wahren Geist.

Diese liberale Demokratie stellt Fragen an die Glaubensgemeinschaften

Der Jungparlamentarier nahm in seinem Statement die Verfassung unserer liberalen Demokratie und stellte aus dem Verständnis der gleichen Würde und Gleichbehandlung aller Menschen die Fragen an die Religionen und Glaubensgemeinschaften. Wie geht das, wenn in der Verfassung steht, dass Mann und Frau in allem gleich zu behandeln sind, und dann schließt die katholische Kirche die Frauen aus Ämtern und Funktionen wegen ihres Geschlechtes aus? Wie geht das mit der kirchlichen Moral zusammen, wenn niemand wegen seiner sexuellen Orientierung und Praxis benachteiligt werden darf? Siehe Homosexualität. Diese Fragen stellt einer, der auf die Verfassung angelobt wurde und sich bewusst und öffentliche als Christ versteht, dazu Theologie studiert hat. An diesem Abend wird mir immer klarerer, dass die Reform der katholischen Kirche „aus sich heraus“ wahrscheinlich zu lange dauern wird. Viel mehr „Reformeifer“ wird sie entwickeln müssen, wenn sie als „geschätzter Partner und Faktor einer liberalen Demokratie“ ihre Wirkfelder weiter betreiben will. Es wird nicht ausbleiben, dass die Bischöfe und der Pontifex in Rom hier einiges „in Ordnung bringen müssen“. Die Wertebasis hier in Österreich ist die Verfassung und die darin  definierten Grundrechte einer „liberalen Demokratie“. Da gehört die Religionsfreiheit genauso dazu wie die Verpflichtung der anerkannten Religionsgemeinschaften, sich zu diesen Grundwerten auch strukturell zu bekennen. Die meisten anderen christlichen Testimonien tun das bereits.