Wer fastet, entlastet

Vom Stacheldraht befreienenDa ist er, der Aschermittwoch. Da ist sie, die Fastenzeit. Asche wird auf das Haupt gestreut. Was bedeutet diese Asche am Haupt? Macht sie trübsinnig oder ist sie die Einladung zur Befreiung? Fasten kann entlasten.

Die Chefredakteurin einer Wochenzeitung fragt am heutigen Aschermittwoch auf Twitter drüben öffentlich: „Wie schaffe ich es, ohne Alkohol zu leben?“ Die Leute haben der Reihe nach dazugepostet, worauf es ankommt, haben Mut zugesprochen, erzählt davon, dass sie schon zwei Jahre „ohne“ auskommen. Vielleicht war es eine journalistische Frage als persönliche getarnt. Wir lesen es vielleicht nächste Woche. Aus der Ferne betrachtet, hat zu Wien ein Mensch verspürt, dass die Fastenzeit eine Gelegenheit ist, mit der Zeit Belastendes abzulegen. Der Wille dazu keimt am Aschermittwoch auf. Dazu spürt sie aber auch, dass das nicht so einfach werden wird. Die Köstlichkeit und der Genuß am „Schluckerl“ springt nämlich schnell hinüber in die Schienen der Gewohnheit, aus dem Genuß wird Abhängigkeit. Aus der Lebenserleichterung kann schnell eine bleierne Schwere werden. Viele alltägliche Konsumgewohnheiten sind beworben entlang dieser „getarnten Abhängigkeitsmasche“. In der Werbung wird das Leben „gehoben“. In der angestachelten Gier nach diesem Leben bleibt das Leben allerdings bei den meisten bodenschwer. Der Tanz verwickelt sich in der Schwerkraft.

Unterbrechung richtet auf

Das kirchlich geprägte Wort „Verzicht“ hat in unserer Zeit praktisch keine Chance. Zu viel wurde davon gepredigt und zu wenig still, fröhlich und einfach vorgelebt. Als Kind damals war die Zeit nicht üppig. Verzicht habe ich im Rückspiegel betrachtet oft als Einüben in den ganz einfachen Lebensstil erlebt, weil es nicht mehr gegeben hat. Das war auszuhalten. Das schien mir stimmig, aber nicht einfach. Heute spreche ich viel lieber von „Befreiung“. Asche auf das Haupt heißt doch in etwa: „Befreie dich in Anbetracht deines unausbleiblichen Todes von dem Gedanken, dass du viel haben musst. Sei einfach. Schau ungeschminkt: Staub, Staub und wieder Staub. Unterbrich diesen Wahnsinnsgedanken, das Leben am Mammon, am Besitz, an Macht, an Status, am überbordenden Konsum aufhängen zu können.  Halt. Schau auf, kehr um, ändere den Blickwinkel und freue dich neu an dem Wesentlichen des Lebens, das uns im Evangelium angedeutet, zugesprochen wird.“ Die kürzeste Definition von Gebet ist Unterbrechung. Sie kann  uns neu aufrichten, hineinsteigen lassen in das Wesentliche, das Herz aufweichen, fluider machen und Nächstenhilfe wachsen lassen. Wer fastet, entlastet sich selbst und in Solidarität einander. Ein fröhliches Gesicht zeugt von dieser Art der Befreiung.