Wie wir bei Lamento gehalten werden

„Leben statt Lamento“ war ein Buch, das ich vor etwa 15 Jahren mit großem Gewinn gelesen habe. Da steht man um die 40 vor der allseits ausgerufenen und notwendigen „midlife crisis“ und das heißt landläufig: jammern, sudern, sich bedauern, in der Opfer-Kiste wühlen. Der Titel des Buches geht weiter: „Männer auf der Suche nach sich selbst“. Wolfgang Müller-Commichau ist der Autor. X-mal habe ich das Buch hergeborgt und das bringt es mit sich, dass es heute nicht mehr auffindbar ist. Entweder es tut irgendwo gute Dienste, was ich hoffe, oder es macht in einer Privatbibliothek 2 Zentimeter.

Lamento als Lebensgefühl

lamentoSo kann ich nicht mehr nachschlagen, sondern nur mehr in der Erinnerung an das Buch wühlen. Mitgenommen habe ich, dass Männer um die 40 sich ganz massiv hinterfragen. Das finde ich persönlich schon einen Gewinn. Andere wieder finden es zum Jammern, wenn wichtige Fragen auftauchen wie: War das alles? Was mache ich wirklich? Ist das das Leben? Geht das jetzt noch einmal so lange weiter wie bisher? Bin ich in der Beziehung eigentlich glücklich? Wo sind die Kinder hingekommen? Wo kommt dieses Wehwehchen her? Verdienen die anderen nicht viel mehr? Warum verliere ich neuerdings bei Tennis dauernd? Jetzt redet der Augenarzt von Gleitsichtbrille? Eben: Lamento ist angesagt. Das Leben ist mit den Jahren schwer geworden. Das wird angeblich dem 40-Jährigen so richtig bewusst. Es passt einfach nichts mehr so recht zusammen. Auch die Hose passt nicht mehr und der Atem ist nicht mehr als jugendlich einzustufen. Arm bin ich geworden, sagen viele. Eben: Lamento.

Leben und gestalten

Wenn ich heute in die Politik, in viele Institutionen und in die Kirche schaue, dann kommt mir vor, wie wenn sie gerade den 40-er feiern würden. Ich muss jetzt vorsichtig sein, denn die beschriebene Wirklichkeit ist der Ausdruck der Sichtweise des Betrachters. Ich bin keine 40 mehr und Lamento . Ich werde aber den Eindruck nicht los, dass wir in vielen Bereichen bei Lamento gehalten werden. Es darf keine Zufriedenheit aufkommen. Lamento statt leben ist die Devise. Der Mensch soll in seiner Unzufriedenheit als Konsument  brav weiterhecheln und nur ja nicht sagen: Leben statt Lamento. Die Werbung sagt mir täglich: Du hast noch weit nicht alles. Du brauchst aber alles. Ich gehe hier in Wien an den Geschäften vorbei, wo eine Handtasche 2.300.- EUR kostet und das Kleid im Schaufenster mit 3.100.- EUR angeschrieben steht. Wenn ich nicht wüsste, wozu Schaufenster gut sind, dann würde ich ins Lamento verfallen. So weiß ich. Leben statt Lamento. Im Schaukasten sehe ich das, was ich zum Leben nicht brauche. Zusammensitzen mit der ganzen Familie, die Urlaubsbilder anschauen, beim Heurigen einfach gemütlich und essen und trinken und dem einfachen Leben auf der Spur sein. Ich bin schon gespannt, was unser thematischer Schwerpunkt bei den Ordensgemeinschaften mit mir selber machen wird: viel. mehr. wesentlich. weniger. Das ergibt Kombinationsmöglichkeiten, die Lamento bewirken und andere, die Leben lassen. Vom Lamento zum Leben. Einfach so.
Übrigens: Das Buch kann ich auch heute noch weiterempfehlen an die 40-Jährigen.