Wo sind die Vitalitätskiller der Kirche, fragt Bischof Scheuer

In einem Interview mit dem Tiroler Sonntag nimmt Bischof Manfred Scheuer sehr offen und direkt Stellung zu dem Umfeld, in dem die Missbrauchsfälle passiert sind und jetzt aufgearbeitet werden müssen. Er ist mir persönlich bekannt als „feinfühliger spiritueller Mensch“ und so sind auch seine Worte einfühlsam und klar.Quelle: Tiroler Sonntag „Es geht immer um persönliche Verantwortung“, meint der Jägerstätter-Kenner und Verehrer.

Sexualität, Zölibat und Machtgefüge klar angesprochen

Im Zusammenhang mit der sinkenden Glaubwürdigkeit der Kirche durch den Missbrauchsskandal müsse sich die Kirche heute auch der Frage stellen, was ihre „Vitalitätskiller“ seien, so Bischof Scheuer:  „Natürlich müssen wir überlegen, wo unsere Blockaden sind, und da müssen wir über Strukturen reden, über Sexualität, über den Zölibat,
auch über Bürokratie.“ Die jetzt nach Jahrzehnten öffentlich werdenden Ereignisse seien ein Grund über die Machtverhältnisse in der Kirche und eine „humane Sexualität“, die dem Menschen gerecht wird, nachzudenken. Die Kirche habe etwa im Umgang mit der Sexualität „oft nur die Gelegenheit zur Sünde gesehen“, bedauert der Bischof. „Das war nicht gut, weil es übertrieben war und weil nicht die Schönheit von Sexualität vermittelt wurde.“ Andererseits zeigten sich gegenwärtig auch die abgründigen Möglichkeiten von Sexualität, so Scheuer: „Da wird deutlich, dass es im Bereich von Sexualität Dimensionen gibt, wo einander sehr weh getan werden kann.“

Gott nicht auf  Moral reduzieren

Differenziert setzt sich Bischof Scheuer in dem Interview mit der Frage auseinander, ob die kirchliche Sexualmoral den Blick der Menschen auf die wesentlichen Glaubensinhalte verstellt. „Das Anliegen des Papstes, das Geschenk des Glaubens herauszustreichen, erreicht die Menschen nach meinem Eindruck nur wenig und wird kaum wahrgenommen“, stellt der Innsbrucker Bischof fest. Trotzdem wäre es seiner Meinung nach falsch, die Moral insgesamt beiseite zu schieben. Hinter den kirchlichen Geboten der Sexualmoral stünden „menschliche
Erfahrungen, die Beziehung, Humanität und Familie schützen sollen“, erinnert Scheuer. „Die Gebote sind so etwas wie Fixsterne, die der Orientierung dienen. Dabei ist es nicht hilfreich, Ideale ohne die Lebbarkeit zu vermitteln.“ Es gäbe so etwas wie eine Kränkung durch die kirchliche Sexualmoral, so Scheuer, „Kränkung insofern, weil zu wenig sensibel vermittelt wird, wie es nach Krisen und Scheitern weiter gehen kann.“

Quelle: Kathpress vom 18. März 2010 und http://www.dibk.at/index.php?id=3953&portal=6&isMeldung=1