Wohin fällt das Christkind ?

Drei Kerzen brennen. Gaudete. Morgen wir die alte Koalition neu angelobt. Einige neue Gesichter tummeln sich ab Dienstag auf der Regierungsbank. Beliebte Gesichter wie das von Minister Töchterle und bekannte wie das von Minister Fekter sind im Plenum zu finden. Eine Familien- und Jugendministerin wird stündlich auf Knopfdruck sagen können, was die Familien und die Jugend denken. Das ist neu, das Ministerium. Dafür ist die Wissenschaft endgültig unter das Kathedral-Dach der Wirtschaft gezogen (worden). Ein Freud’scher Versprecher: Die Wirtschaft ist frei.  Das Hochamt der elitären Ökonomie kann weiter zelebriert werden. Der Kardinal selbst hat den Segen gegeben und die Bevölkerung aufgerufen, das Hauptzelebranten-Bashing zu beenden. Die Medien bis hin zum Boulevard werden bald wieder als Chor einstimmen, wenn aus der Politik-Sakristei wieder die nötigen „Unterlagen“ kommen. Drei Kerzen brennen. Wohin fällt das Christkind?

Die Menschen warten

2Wer in Wien am Hohen Markt seine Schritte etwas einbremst, zufällig zur vollen Stunde unterwegs ist, wird eine Menschentraube warten sehen. Ihr Blick ist gebannt auf die Ankeruhr gerichtet. Heute um 17 Uhr war es so. 12 Figuren werden heute bei adventlicher und weihnachtlicher Musik „herumgereicht“. Die Touristen sind begeistert. Die Fotoapparate tun in der eingebrochenen Dunkelheit ihr bestes. Minuten später löst sich die Traube auf. Das Spektakel ist wieder für eine Stunde vorbei. Ich denke, während ich andächtig nach oben schaue, an die neue Regierung, die seit gestern bis übermorgen auch fast stündlich herumgereicht wird. Man sieht sie und schaut wieder weg. Jede und jeder geht seine und ihre Wege. Ich frage ein jüngeres Paar, mit dem ich ins Gespräch komme: „Und, gehen sie diese Woche demonstrieren?“. Beide: „Wieso?“ Ich sage einfach ein paar Stichworte: Wissenschaftsministerium, Lehrerdienstrecht, Gehaltsabschlüsse. Er: „Bringt eh  nichts, die tun eh was sie wollen.“ Sie: „Höre ich zum ersten Mal.“ Drei Kerzen brennen. Wohin fällt das Christkind?

Haben und nicht geben ist Diebstahl

11Es überfällt mich Nachdenklichkeit. Diese trage ich auf einen kleinen Espresso. Den stört ein Augustin-Verkäufer, den Espresso. Ich kaufe  die Lektüre. Es ist Zeit zum Blättern und Lesen.  Die Themen und Sichtweisen der Obdachlosen begleiten mich seit meinem Zivildienst 1982. Seit ich in meiner „Klosterzelle“ im ersten Bezirk in Wien lebe, begegnet mir täglich das unglauchliche „Haben“ einer reichen Elite, wenn ich durch den Bezirk gehe. Am „Golden Quarter“ gehe ich jeden Tag am Weg ins Büro vorbei und ich frage mich: Wer kauft dieses Täschchen um 4.400.- EUR. Auf der anderen Seite ist eine riesige Baustelle, am Hof. In Schlange stehen die Arbeiter vor allem am Montag früh. Security überall. Ich wage niemand zu fragen, welcher Stundenlohn bezahlt wird. Im Augustin ist ein Zitat von Ebner-Eschenbach, das mir ins Auge sticht: „Haben und nicht geben ist in manchen Fällen ähnlich schlimm wie stehlen.“ Drei Kerzen brennen. Wohin fällt das Christkind?

Der Papst ist ein Marxist

1532Die sehr klare und fundierte Kapitalismus-Kritik (Dieses System tötet Menschen) des Papstes ging durch die Welt. Natürlich auch durch die amerikanische. Dort hat sich der Papst in der Tea Party Bewegung damit echte Feinde gemacht. Sie beschimpfen ihn als Marxisten. In seinem heutigen Interview in La Stampa legt er weiter nach und schämt sich dessen nicht. Unglaublich. Die Theologie der Befreiung in Südamerika wurde von den Päpsten davor (Woytila, Ratzinger) mit dem „Marxismus-Verdacht“ besiegelt und „ausgelöscht“. Heute erkennt ein Papst die strukturelle Sünde und will sie in Gesellschaft und Kirche überwinden helfen. In dem lesenswerten Buch von Magdalena Holztrattner „Innovation Armut“ beschreibt Bernd Hagenkord von Radio Vatikan seine Erfahrungen mit Franziskus, dem Bischof von Rom und findet zwei Worte, Haltungen, Perspektiven, um ihn zu verstehen, zugänglich zu machen: Einfachheit und Zeugnis geben. Dieser Papst „ist“ das. Er tut das nicht in Funktion, sondern als Mensch in dieser Funktion. Er wirft seine ganze Autorität in die „Schlacht“. Ja, manche sagen Krieg. Es geht um die Zukunft aller Menschen auf diesem Planeten. Die Krippe soll nicht draußen stehen, sondern jeder Mensch soll menschenwürdig leben können, heute. Drei Kerzen brennen. Wohin fällt das Christkind?