Kann man Religion lernen

So ist das manchmal, wenn ich mit Öffis fahre. Bevor es nach Innsbruck zum großen Jubiläum der Frauenorden geht, treffe ich mich mit einem iranischen Flüchtling, der zum christlichen Glauben konvertieren wird. Ein Jahr lang wird er sich vorbereiten und ich werde ihm dabei Pate sein. Wir sehen einander zum ersten Mal und wir haben sofort ein gutes Gespräch. Ich bewundere, wie schnell ein Mensch innerhalb von fünf Monaten so gut deutsch sprechen und schreiben kann. Wir finden gut zueinander und tauschen Basics aus. Religion ist gar nicht das Thema. Sein Vorhaben hat uns über einen Freund zusammengeführt. Heute für kurze Zeit. Das wird sich ändern. Wir wollen und werden mehr Zeit miteinander verbringen. Der Bus fährt weg und ich haste hinaus. Der Buschauffeur sieht mich noch rennen, bleibt extra stehen und nimmt mich noch auf. Es geht nach Innsbruck.

Gesprächige Busfahrtop

Beim Umsteigen in der Glasau schaue ich den Schneeflocken zu. Sie tanzen mir auf der Nase herum und hüllen die Landschaft in ein grün gefärbtes Weiß. Zwei Frauen reden mich an der Bushaltestelle an. Thema: der Schnee. Wir steigen ein. Der Bus ist fast voll. Ich setze mich zu einem Mann, den ich von früher kenne. Er ist in Pension. Das Gespräch bleibt anfangs an der Oberfläche bis zu dem Augenblick, wo er mich fragt: Glaubst du, dass man Religion lernen kann? Ich erzähle ihm von meinem Gespräch vorhin mit meinem „Flüchtlingsfreund“, den ich getroffen habe und der sich ein Jahr lang auf die Taufe und Firmung vorbereitet. Er „wechselt“ die Religion. „Darf ich an diesem Gespräch teilnehmen“, sagt eine Frau eine Reihe vor mir am Fenster sitzend. Sie tauscht ihren Platz und wir drei bilden über den Mittelgang hinweg eine „Gesprächsinsel“. Wo zwei oder drei. Wie kommt ein Mensch dazu, seine Religion zu wechseln? Ist es nicht immer derselbe Gott, den wir verehren? Bringt Religion mehr Gewalt oder Versöhnung in diese Welt? Es ist ganz gleich, welche Religion wir haben. Die Religion bei uns hier ist der „Kapitalismus“, das Geld, die Ökonomie. Gerade diese rein ökonomische Sichtweise braucht eine Aufklärung. Bis hierher habe ich zugehört. Diese Aussagen kamen nicht von mir, sondern von meinen Gesprächspartnern. Natürlich konnte ich nicht anders, als die „Latte“, über die alles springen muss, zu benennen: Wie kommt mehr Liebe in die Welt und wie können wir die Welt durch unser ganz konkretes Tun ein Stück weit besser machen. Die ersten Busgäste steigen aus, bringen unser Gespräch durcheinander. Eine junge Frau hinter mir sagt: Danke, das war sehr interessant, was ihr da gesprochen habt. So sind sie manchmal, die Busfahrten.