Schlusspunkt zu New Orleans 2011: „You’r wellcome!“

Bei jeder Gelegenheit, wo wir  in Österreich „Danke“, „Gerne“ oder „Bitte“ sagen, höre ich hier „You’r wellcome“. Das wird mir fehlen. Es ist ein Ausspruch, der so viel Gehalt hat und die tiefe Haltung der Menschen hier charakterisiert: Jeder und jede ist herzlich willkommen. Diese positive Zugehen aufeinander, ist „unique“, wie eine Mitbewohnerin aus New York gerade neben mir betont. Dort erlebt sie die Schwarzen im Ghetto, hier sind alle durchmischt „and so friendly“.  Ich kann ihr an meinem letzten Tag hier in New Orleans nur rechtgeben. So habe ich diese Stadt erlebt. Die Musik macht mit den Menschen so viel Positives, „vibrations with energy“. Alles ist langsamer, nicht so ernst, nicht so tragisch. In mein Tagebuch habe ich vor Tagen im Blick auf Europa und die technisierte Welt geschrieben: Der Mensch hat die Chance, am eigenen Egoismus  zugrunde zu gehen. Gestern abends überreichen mir zwei Frauen einfach so ein „Thanksgiving“.

Nochmals die Plätze der „Eintagestouristen“ aufsuchen

Am vorletzten Tag  meines Aufenthaltes habe ich einen Versuch  unternommen. Ich habe mir vorgestellt, dass ich einen ganzen vollen Tag zur Verfügung habe und die touristischen Highlights besuche: Street Car Canal Street, Street Car St. Charles Ave mit Garden District, Jackson Square, einen Kaffee im Du Monde, Kathedrale, mit der Fähre ans andere Ufer des Mississippi  Algiers Point und retour, Royal Street Galerien, Coop’s Place Abendessen, Frenchman Street (Music Cafes) und durch die Bourbon Street („Ballermann mit einzelnen Ausnahmen“) zurück zur Canal Street. Viele verlassen so die Stadt und nehmen ganz sicher positive Eindrücke mit und haben die Stimmung aufgenommen. Sie haben viel Musik gehört, weil auch auf den Straßen viel hochqualitative Musik gemacht wird. Am Abend in der Straßenbahn ins Hostel bin ich mir ganz sicher: Gut, dass ich länger Zeit hatte, in diese Stadt einzutauchen.

Der letzte Tag gehört den Plätzen meiner emotionalsten Begegnungen

Ich habe Vicki und ihre Freundin Leila kennengelernt. Mit Vicki  treffe ich mich um 8am zum Frühstück. Sie ist eine herzenswarme Frau und arbeitet bei „Entergy“. Sie erzählt, dass sie gerade einem 10-jährigen Buben Heimat gibt und ihm anbietet, ganz bei ihr zu wohnen und Familienmitglied zu werden. Die Adoptiveltern haben ihn im Stich gelassen.  Gastfreundschaft, konkret helfen, so viel Freundlichkeit und Vertrauen in das Leben. Danke für solche Menschen.  Dann gehe ich durch den French Quarter (Royal Street) zum Royal Postoffice (gebe die letzten Karten auf) und hinauf zum Amstrong Park. Dort verweile ich lasse mein so zahlreichen musikalischen Emotionen freien Raum. Der „Homeless shelter“ ist meine nächste Station. Ich möchte einfach dort sitzen und mit den Leuten auf das Leben warten. Ich führe das eine oder andere Gespräch und bin wieder erfüllt von dieser „respektvollen helfenden Atmosphäre“. Here is Jesus. Um 12.15 besuche ich die Mittagsmesse in St. Joseph am Tag der heiligen Cäcilia. Die Messe ich nicht in der großen Kirche, sondern in der kleinen Kapelle und vorne hängt das Franziskuskreuz mit der Botschaft in Assisi: „Bau meine Kirche auf.“ Ich spreche nachher lange mit dem Priester. Er hat in seiner kurzen Predigt zum Evangelium, dass keine Stein auf dem anderen bleiben wird, das dauernde „Beben rund um die Kirche wegen der Baustellen“ und die Flut erwähnt und uns mitgeben: „All wie need is a little faith.“ Dann brauchen wir nicht verzweifeln.  Wie recht er doch hat! Dann telefoniere ich ein letztes Mal mit Gerlinde über Skype, setze mich mit den gewonnen Freunden hier Hostel zusammen.

Was nehme ich mit? – „Gratefullness – tiefe Dankbarkeit“


Natürlich steigt mit Blick auf die Heimreise die „Spannung“, ob alles wieder gut geht. Reisen ist immer davon geprägt, „den Anschluss zu finden“. Flughäfen sind besondere Orte für Anschluss-Suchende. Das werde ich sein. Ich freue mich schon sehr darauf. Ich war auch in dieser Stadt ein „Anschluss-Suchender“ und wurde sehr reich beschenkt.  Einen kleinen Einblick habe ich mit dem Blog versucht zu geben. Geteilte Erfahrung ist doppelte Freude. Wenn ich zurückblicke, dann kann ich meine innere Stimmung nicht anders beschreiben als damit, dass ich von großer „gratefullness“ erfüllt bin. So viele Menschen auf Augenhöhe kennengelernt zu haben, das hat auch bei mir Spuren hinterlassen. Ich bin gekommen, um sechs Jahre nach Katrina den Wiederaufbau zu sehen, die Musik zu hören und zu „studieren“, was sie mit den Menschen „macht“ und die „Resilienzfähigkeit“ einzuordnen.  In allen drei Punkten bin ich für mich „fündig“ geworden. Diese Erfahrungen nehme ich auch neue Kompetenz mit.  Dass vieles als einem besonderen „Commons-Geist“ erwächst (neighborhood, music, gardening, rebuilding,…) führt mich dazu, mich mehr im „Commons-Empowerment“ zu engagieren.

Weil viele Ideen, Energie und Resilienz  (Widerstandskraft) aus dem  „empathischen, aktivierenden Dialog mit den lokalen Menschen und Gegebenheiten“ kommt, überlege ich, mich als „local detective“  zu verstehen. Beides erfüllt mich mit tiefen Emotionen und eben mit großer Dankbarkeit.  You’r wellcome!

Danke allen, die mitgelesen, mitgelebt, mitgetragen und mitgebetet haben. Ich fühlte mich immer getragen von einer tiefen gemeinsamen Kraft. Seid alle behütet. Und – ich freue mich auf daheim.

1 Kommentar

    • Hannes auf 23. November 2011 bei 22:19

    wunderbar und ergreifend, deine Eindrücke,Erfahrungen, Erlebnisse – danke, dass Du sie mit uns geteilt hast!!!

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