Benedikt implodierte. Explodiert Franziskus?

IMG_8087Das päpstliche Schreiben „Amoris Laetitia“ in Folge der Familiensynode ist seit ein paar Tagen „on air“. Die Reaktionen sind zum Teil enthusiastisch bis verhalten. Mit diesem Schreiben hat Papst Franziskus einige „enttäuscht“. Das Wort Enttäuschung hat ja als tiefe Wurzel einen Befreiungsakt in sich. Man wird ent-täuscht. Also: Eine Täuschung wird von uns genommen. Und es ist sehr schwer, sich selber eine Täuschung einzugestehen. Der ganze Mechanismus „Kirche“ (es ist eher die männliche Amts- und Kleruskirche gemeint) entdeckt gerade seine Täuschung. Hat zum Beispiel Kardinal Schönborn noch vor 15, 10, 5 Jahren dem Kirchengesetz und der Norm das Wort geredet und ist persönlich gegen die Diözese Linz und ihren Bischof Aichern „vorgegangen“, so hören wir heute aus seinem Mund: „Ausrichtung auf die Liebe ist wichtiger als Normen„. Die Kirche entdeckt gerade ihre Täuschung: Das Pochen auf Gesetz und Norm. Papst Benedikt ist genau daran erstickt. Er wurde von diesem selbst mit geschaffenen System von Gesetz, Norm und dem damit verbundenen Spitzelwesen geradezu an die Wand gedrückt. Er ist an diesem System „implodiert“. Der Rücktritt war die Notbremse, die er zum persönlichen Selbstschutz gezogen hat. Er wird sicher schwer „ent-täuscht“ sein von seinen Kollegen. Das kann man am besten in Ruhe, Stille ausschwingen lassen. Das dürfte ihm gelingen.

Die Explosion verhindert

IMG_9522Anders fühlt sich das bei Papst Franziskus an. Er wurde als „Befreiungsakt“ gewählt. Gerade wieder an Kardinal Schönborn kann man die Veränderung gut sehen. Er versteht es, sich „anzupassen“ an die jeweilige „Führung des Systems“. In diesem Fall nicht risikolos. Wahrscheinlich hat er auch federführend mitgeholfen, dass sich das System den Verirrungen stellt. Macht, Geld, Positionen, Fundamentalismen. Auch er lässt alles, was Gesetz und Norm betrifft, heute unangetastet und schwingt sich mit Papst Franziskus zu einer neuen Betrachtung der Welt, der Kirche und der Menschen auf. „Liebe“ wird als neue Perspektive und Bewegung angesagt. Es erinnert mich an Jesus. Empathie, Compassion, auf Augenhöhe und immer aufrichten. Nie verurteilen. Hereinnehmen und nie verstoßen. Und: Jede Bewegung bringt eine neue Perspektive. Gerade Bewegung, Standortveränderung, hinuntersteigen zu den Menschen ist die Sache dieses Papstes. Einfach unter den Menschen sein. Er setzt sich damit ganz aus. Keine Vorsicht. Er verlangt ganz offen ein „fluides Verständnis“ von Welt und Kirche. „Bewegt euch“. Es braucht eine neue Anschlussfähigkeit. Aber genau diese Bewegung umspült die „betonierten Positionen“ schwer. Manche sehen einen Sturm, der das eigene Haus in der Komfortzone in Bedrängnis bringt. Die Medien sind angetan von seiner „persönlichen Autorität“. Er ist nicht Amt, sondern Mensch. Das strahlt aus. In seinem Schreiben lässt er viele Fragen von Details unangetastet. Das macht stutzig. Ich sehe es als Chance: „Die Synode geht bei den Menschen weiter.“ Aber: Sollte wieder ein anderer Wind wehen, dann sind diese „lieblosen römischen Systemfehler“ nicht behoben, und Gesetz und Norm schlagen wieder zu. Auch wenn in diesem Schreiben das „Gewissen den Gehorsam“ eindeutig schlägt, so werden die Widersprüche „im System latent weiterleben“. Beispiel Einschätzung von Homosexualität. Dort wird ebenfalls Liebe und Verbindlichkeit gelebt, aber von der Kirche nicht wertgeschätzt. Da wird weiter ausgegrenzt oder die Liebe auf die Sichtweise eheliche Liebe eingegrenzt. Alle diese Widersprüche könnten zur Explosion führen. Früher oder später. Auch für diesen Papst, der mit seiner Betrachtung einstweilen die Explosion verhindert hat.

 

1 Kommentar

    • F.H. auf 13. April 2016 bei 03:45

    Das ist ein sehr treffender Kommentar und entspricht genau dem, was ich seit dem ersten Auftritt von Papst Franziskus spüre und erlebe. Mit Franziskus ist die Katholische Kirche wieder in ein jesuanisches und prophetisches Zeitalter eingetreten, und offenbar sind zahlreiche „Amtsträger“ inzwischen dabei, sich „auf seine Welle einzustimmen und einzuschwingen“ (um es einmal musikalisch zu sagen).
    Ja, das Betonzeitalter der kath. Kirche ist offenbar für’s erste vorbei. Allerhöchste Zeit, dort wieder anzuknüpfen, wo nach Albino Luciano abgeschnitten wurde. Es wird heute immer die Unchristlichkeit und Kirchenferne von Gesellschaft und Welt beklagt – aber leider nie hinterfragt, inwieweit Amtsträger, Klerus und v.a. die Haltung „Roma locuta, causa finita“ selbst an dieser Situation Anteil und Schuld tragen. Franziskus legt auch hier den Finger in die Wunde – allerhöchste Zeit für eine Gewissenserforschung!
    „…die Liebe dagegen hütet das Bild der anderen mit einem Feingefühl, das so weit geht, auch den guten Ruf der Feinde zu schützen. Einige Verfechter des göttlichen Gesetzes scheinen diese Forderung der Liebe zu vergessen“ (aus Amoris Laetitia)

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