Das Marterl mit der goldenen Narbe

Jesus-Marterl mit goldener NarbeAm Tag nach dem besonderen Fest 75 Jahre Katholische Aktion Österreich haben wir den letzten Schritt bei der Wiedererrichtung des Jesus-Marterls am Breitenstein in Kirchschlag gesetzt. Gemeinsam haben wir händisch das Dach hinaufgehoben auf das Mauerwerk. Die goldene Linie zeigt die Bruchstellen.

2001 haben die sieben Firmkandidaten Rene Urban, Didi Mitterlehner, Michael Mair, Rafael Putz, Daniel Reichör, Paul Breuer und Alex Zarre mit mir als ihren Firmbegleiter das Marterl eigenhändig errichtet. Das war ganz praktische Arbeit. Der Christus-Corpus vom Dachboden des Neuen Domes war praktisch kaputt und diente uns als Hinweis: Jesus hat heute keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun.

2005 passierte das Tragische schlechthin. Alex Zarre hat bei einem Autounfall das Leben verloren. Das Marterl wurde in der Situation irgendwie zum Anker. Blumen kamen, Kerzen brannten und man hatte das Gefühl, dass sich einige Leute um dieses Marterl kümmern.

Im Jänner 2024 hat der Sturm einen mächtigen Baum direkt auf das Marterl geworfen. Damit wurde ein großer Teil zerstört. Alleine aus den vorhandenen Trümmern habe ich es in einer wirklich meditativen Stimmung am 1. Mai 2024 wieder aufgemauert. Am 10. Mai 2024 haben acht Hände ordentlich angepackt und das zerschlagene und wieder zusammengefügte Dach hinaufgehoben. Eine goldene Linie umzieht das Marterl.

Goldene Narbe

Diese „goldene Narbe“ markiert jene Linie, wo sich der Altbestand und der Neuaufbau begegnen. Leben ist oft auch gebrochenes Leben. An und aus diesen Brüchen kann das Leben neu wachsen. Die Narben sind geheilte „Brüche“. In Japan gibt es die besondere Kunst der Reparatur bei zerbrochener Keramik (Kintsugi). Die Bruchstellen werden vergoldet, um ihnen einen besonderen „Wert“ zu geben. Damit werden die Narben geadelt und zu einer sichtbaren und wertvollen Signatur des Lebens und Leides.
In unserer „Optimierungs-Kultur“ will man unverletzt bleiben. Ist jemand doch mit Narben gezeichnet, so ist es üblich geworden, diese zu verbergen oder zu beschönigen. Welch eine Erlösung kann von diesem Ort ausgehen, an dem das Unperfekte, das Gebrochene, das Fragmentarische, das Verletzte, das Sterben sichtbar werden darf.

Pace e bene!