Wer kennt sie nicht, diese positive Energie und Freude, die aus einem Perspektivenwechsel kommt. Die Fremde in der Ferne hat eine magische Kraft entwickelt. Dem steht das Paradox gegenüber, dass das Fremde unter uns für viele bedrohlich wirkt.
Die Urlaubsangebote stacheln erstere Sehnsucht nach der Ferne immer wieder an. Der weltweite Tourismus hat nach Covid nicht abgenommen, sondern noch weiter zugelegt. Würde man die Erdkugel vom Mond aus betrachten, dann könnte wir sehen, dass Menschen einer gewissen Gesellschaftsschicht Reisevagabunden sind. Die Kondensstreifen der Flieger am Himmel erzählen davon. Der Tourismus hat das Reisen zum durchgestylten Produkt gemacht. Wirklich „freie und offene Begegnungsprozesse“ oder „einfache Gastfreundschaft“ sind selten geworden. Alles ist minutiös geplant, der Zufall (Es fällt uns zu) hat keinen Platz. Dabei sind Überraschungen die nachhaltigen und prägenden Erinnerungen und oft Lebenserfahrungen.
Die Zukunft wird eine neue Art des Reisens, der Welt- und Menschenbegegnungen hervorbringen (müssen). Das Gehen wird dabei zentral werden. Das ist mein Erfahrungsfeld, das weite Gehen, das Pilgern, alleine und in Gruppen. Es wird im Gehen gelöst. Das Gehen ist die Geschwindigkeit der Seele. Alles andere ist zu schnell und zu laut (Ilija Trojanow). Das gemeinsame Gehen beispielsweise macht eine tiefe Verbundenheit spürbar und jeder und jede ist „mitgetragen“. Das Gehen lockert die körperlichen, mentalen und spirituellen Dimensionen des Lebens, verbindet sie neu, lässt Vergangenes mitgehen, ist neugierig auf das Kommende. Leo Tolstoi sagt treffend: „Denke immer daran, dass es nur eine wichtige Zeit gibt: Heute. Hier. Jetzt.“ Wenn wir geöffnet sind, beleben Begegnungen der offenen Art unsere jeweiligen Sichtweisen. Wer die Welt zu Fuß durchstreift, sieht mit dem ganzen Körper. Wenn ich zu Fuß gehe, ändert sich das Verhalten mir gegenüber und mein Blick auf die Menschen, wenn ich mich vorher „geleert“ habe, also nicht vorher mit allen möglichen Informationen angefüllt habe. Aufbrechen bewegt und ein Loslassen befreit.
In die Stille gehen. Stille tut uns gut. Sie führt uns aus dem Dauer-Produktionsmodus (Byung-Chul Han) hinüber in den Daseins-Modus. Einfach da sein. Nichts. „Kommen sie zu uns, wir haben nichts!“ Das ist der Werbeslogan des Villgratentales in Osttirol. Am Hoch-und-Heilig-Pilgerweg habe ich das erfahren dürfen. Stille, Natur, Einfachheit. Die Welt ist gereizt und getrieben. Es braucht dieses tiefe und weite Innehalten. Die Kontaktaufnahme mit sich selber geht über die Stille, das Verweilen, das Staunen und die zweckfreie Begegnung mit Menschen. So bekommen wir eine Ahnung vom Geheimnis des Lebens, das wir hier Gott nennen. In allem: Beziehung heilt.