Der synodale Weg in Deutschland führt in die Zukunft

Im Zug heimwärts von Wien habe ich den Brief von Sr. Katharina Kluitmann „Lieber Papst Franziskus, jetzt weiß ich wirklich nicht mehr weiter!“ gelesen, lange aus dem Zugfenster in die Dunkelheit geschaut, ihn nochmals gelesen, mich zurückgelehnt und dann auf FB geteilt. Wir kennen einander von verschiedenen Begegnungen. Sie hat mir aus dem Herzen geschrieben. Auf der Fahrt weiter lese ich  auf religion.ORF „Schöborn kritisiert deutsche Bischöfe„. Das verleitet mich heute, Dir liebe Sr. Katharina Kluitmann, etwas länger zu schreiben.

Liebe Sr. Katharina!

Deine Zeilen an Papst Franziskus – gestern im Zug von Wien heimwärts gelesen – haben mich wirklich berührt. Diese tiefe Hilflosigkeit gegenüber dem Nicht-verstehen-wollen in Rom kommt mir bekannt vor, weil ich das vor Jahren in der Diözese Linz genauso erlebt habe. Du bist Theologin und Psychologin und stehst als Ordensfrau mit deinem geweihten Leben mitten im Leben der Menschen. So wie ich dich kennengelernt habe und kenne, hörst du den Atem der Menschen, ihre Sehnsucht nach gelungenem Leben, nach Liebe und Trost. Und du tust selber alles in einer tiefen Liebe zu dieser Kirche, bist seit Beginn am synodalen Weg in Deutschland mit dabei. Wir beide haben beispielsweise im Frühjahr 2023 bei der Deutschen Ordenskonferenz DOK zum Thema Synodalität referiert. Hoch professionell und informativ-sachlich, wie du die Anliegen des synodalen Weges in Deutschland dargelegt hast. Ich selber habe immer betont, dass der Ausgangspunkt (Missbrauch) für den synodalen Weg in Deutschland ein dramatischer war, aber vielleicht genau deshalb den gemeinsamen Weg von Bischöfen und Laienchristinnen und -christen in die Zukunft andeutet, prophetisch. Der Synodale Ausschuss, der mit breitester Mehrheit von Bischöfen und Laienvertretungen als Ausdruck der gemeinsamen Leitungsverantwortung kreiert wurde, wird jetzt von außen als Spaltungswerkzeug interpretiert und desavouiert, auch von Österreich her.

Du schreibst selber diesen so berührenden Satz: „Die Liebe zur Kirche wird gerade auf eine Zerreißprobe gestellt. Denn von Ihnen (Papst) und aus der Kurie werden unserem Mühen, in Deutschland synodal Kirche zu sein, immer neue Hindernisse in den Weg gelegt. Die systemischen Ursachen des Missbrauchs schrien nach Reform. Leider haben Sie diesen Anlass des Synodalen Weges in Ihrem (Papst) Brief 2019 nicht einmal erwähnt. Dennoch haben wir uns bemüht, der von Ihnen angemahnten Evangelisierung zu dienen, in Treue zu unserem Gewissen, in Einklang mit dem Kirchenrecht.“ Ich höre darin keinerlei spaltende Tonalität, sondern das ehrliche gemeinsame Bemühen, in ehrlicher Aufarbeitung der systemischen Fehler in der Kirche den Weg in Deutschland in die Zukunft zu finden und diesen Weg gemeinam, in gemeinsamer Verantwortung, in einer Kultur des Aufeinander-Hörens und der gegenseitigen Ermutigung zu gehen. Und ganz viele sollen den Weg mitgehen können.

„So sind wir nicht“, hat unser österreichischer Bundespräsident bei einer nicht angenehmen Gelegenheit gemeint. Ich gestehe, dass mir das eingefallen ist angesichts der Wortmeldung von Kardinal Christoph Schönborn. Diese Aussagen sind mir echt nicht angenehm, weil ich eure Arbeit zutiefst schätze. Das lange und ausführliche Interview von Jan-Heiner Tück mit Kardinal Schönborn in Communio kommt nicht von ungefähr zum Beginn der deutschen Bischofskonferenz. Da reiten zwei Menschen aus, um ein feines Gespräch zu führen, das mit feiner Klinge gegen die deutschen Bischöfe und den synodalen Weg gerichtet ist. Context is the content. Sehr eindeutig und unmissverständlich mischt sich der österreichische Kardinal in die synodalen Angelegenheiten Deutschlands ein. Wissen sollst Du vielleicht auch, dass Kardinal Schönborn beim Begräbnis von seinem Weihbischof Krätzl im Vorjahr rückblickend auf das Konzil in der Predigt gemeint hat: „Du hast das Konzil als Aufbruch erlebt, ich selber als Bedrohung.“

Aus meiner Sicht wäre es viel feiner, wenn wir im eigenen Haus an der Synodalität ganz praktisch und in ganz konreten Projekten in Österreich ans Werk gehen würden. Die Katholische Aktion hat beispielsweise dazu das Dossier „Beteiligung und Mitverantwortung“ (2022) vorgelegt. Wir haben damals in Valendar darüber gesprochen. Keine Reaktion bisher aus der Bischofsebene oder Bischofskonferenz. In der Erzdiözese Wien hat Kardinal Schönborn beispielsweise den diözesanen Pastoralrat vor Jahren einschlafen lassen. Dieses wohl wervollste Instrument synodaler Beratungen und Entscheidungen in einer Diözese ist bis heute – auch nicht nach der ersten Session der Weltsynode – nicht wieder in Kraft gesetzt worden. Natürlich tauchen die Bilder von der biblischen Erzählung von Splitter und Balken auf oder der großmütterliche Rat: Immer zuerst vor der eigenen Haustüre kehren. Wir sind dankbar für die transparente und systematische Arbeit an der Synodalität in Deutschland. Wir profitieren in Östereich von dieser Expertise.

Warum ich dir das schreibe?

Die katholische Kirche verläuft sich in den oberen Etagen gerade wieder einmal intensiver in der Machtfrage. Der Synodale Weg in Deutschland wird von den (erz)konservativen Kräften als Bedrohung gebrandmarkt, Einheit im machtpolitischen Sinne mit „Einheitlichkeit“ und nicht als „größte gemeinsame Vielfalt“ verstanden. Katholisch wird damit für die Menschen immer enger, einschränkender und als eben als machtpolitisch erlebt, damit irrelevant für das alltägliche praktische Leben. Und genau solche Biotope und Milieus fliehen die Menschen, verständlicher Weise. Du schreibst selber: „In Rom aber finden wir kein Ohr. Was so geschieht, treibt Gläubige aus der Kirche, die zu ihren treusten Söhnen und Töchtern gehörten.“ Die Äußerungen von Kardinal Schönborn in der Weise gegen den Weg in Deutschland wird auch hier ihre Wirkung entfalten. Wovor hat Rom Angst? Zu aller erst vor dem wirklichen ungeschminkten Hinhören. Dann vor dem Aufbruch. Aus meiner Sicht: Lasst doch dem synodalen Weg in Deutschland seine Zukunftserfahrung machen. Das wünsche ich dir, dem synodalen Ausschuß am Weg und der Kirche in Deutschland, dass ihr da nicht gehemmt, sondern ernst genommen werdet.

In tiefer Verbundenheit,
ferdinand