Die Tage des inneren Wachstums und Aufstehens

An der Kunstuni in Linz habe ich dieser Tage einen Schriftzug fotografiert. Er geht so: „Gegen den Strom treiben.“ Das hat in mir eine Melodie in Gang gesetzt, die ich schon lange nicht mehr in mir so gehört habe: „Nur die toten Fische schwimmen immer mit dem Strom, lassen sich mit allen andern treiben, haben weder Kraft noch Mut, was anderes zu tun, wollen in der grossen Masse bleiben. Habe doch den Mut, auch einmal anders zu sein.“ Das ist erst die Zwischenstrophe.

„Sei ein lebendger Fisch, schwimme doch gegen den Strom, auf und wag es frisch: Freude und Sieg ist dein Lohn.“ So ging der Refrain, dem wir in Jugendjahren gemeinsam unsere Stimmen gegeben haben. Da war Feuer, so etwas wie Begeisterung, da war zu vielen Dingen, die damals gelaufen sind, auch tatkräftiger Widerstand. Ich denke an die Friedensausstellung, die wir im Bergdorf neben die Waffenausstellung hingesetzt haben. Ein Beispiel. Es war ein gemeinsames Tun, für den Frieden, für Gerechtigkeit, für Fairness, für Achtsamkeit der Natur gegenüber, für ein anderes Leben, das nicht auf den Schultern anderer stehen muss, unsere Mitwelt nicht ausknetet wie ein Zitrone. Es war damals eine Welt wie heute. Krieg, Ausbeutung, Eigenvorteil, Gewalt, Ausgrenzung, Lieblosigkeit und alles medial hochgejazt. Damals wie heute. Und ich sehe wie damals heute junge Menschen, die wieder in den Widerstand gehen und uns Ältere damit ermutigen, es ihnen gleich zu tun.

Geht nicht

Stutzig macht mich beim Anschauen das „treiben, gegen den Strom treiben“. Jetzt weiß ich vom Raften (das ist mit einem Schlauchboot beispielsweise auf der Salza hinunterfahren), dass es kein einfach nach oben Treiben gibt. Der Strom, das Wasser nimmt dich mit hinunter. Da kommt es eher darauf an, intellegent und gut gemeinsam am Boot mit den Strömungen umzugehen. Und Fische sind wir keine, die auch aktiv nach oben, gegen den Strom schwimmen, um beispielsweise ihre Eier für die Fortpflanzung abzulegen. Beim mehrmaligen Hinschauen wird diese „innere Krätsche“ nicht kleiner, der Widerspruch eher größer. Es geht nicht, sich gegen den Strom treiben zu lassen. Oder weiß da wer etwas besser, eine Lösung?

Gefühl der Wertlosigkeit

Diese Tage wie Gründdonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und Ostern haben eine lebensbedrohliche Dynamik in sich. Da lassen sich Menschen beim Abendmahl bis in die tiefe Erinnerung hinein zusammenschweißen. Füsse werden gewaschen, nicht Köpfe. Brot und Wein werden zum Gedächtnis: Tut dies. Brot brechen und Freude teilen. Wir spüren den Ernst der Lage. Genauso heute. Das ältere Enkelkind hat mich heute gelöchert: Opa, wie haben sie Jesus umgebracht? Es war grauslich, so wie es heute auf der Weltkugel gruselig zugeht. Um das Ende von Krieg und Gewalt an 30 verschiedenen Orten auf der Weltkugel haben wir bei den Sozialtagen in Bratislava gebetet. Alle Medienbilder kommen derzeit aus der Ukraine. Da gibt es 29 weitere Karfreitage, sinnloses Sterben durch die Gewalt von Menschen über Menschen. Wenn ein Mensch gestorben ist, breitet sich fassungslose Stille aus, wutgetränkte Schreie gehen in den Himmel und das Gefühl der Wertlosigkeit menschlichen Lebens macht fassungslos, lässt uns „dahintreiben“ und nimmt uns jegliche Hoffnung.

Täglich zum Aufstehen aufgerufen

Für mich ist Ostern eigentlich „am Weg nach Emmaus“ ganz manifest sichtbar geworden. Da gehen zwei ihren Weg zurück, frustriert, down, hoffnunglos, „ge- und ent-täuscht“, aber geöffnet für den Fremden, der sich dazugesellt. Lange Gespräche, einkehren, Platz nehmen, Brot und Wein am Tisch, ein Erinnerungsgebet und die Schuppen fallen von den Augen. Da fuhr es in sie:  Sei ein lebendiger Fisch und schwimme gegen den Frustrationsstrom, damals wie heute. Stefan Robbrecht-Roller kenne ich nicht persönlich, aber aus seiner KAB-Arbeit heraus hat er diese Zeilen geschrieben, die mir Mut machen für dieses heurige Ostern: „Egal wie viel Vernichtung im Raum steht und wie viel Wertvolles gerade verloren geht, wir Menschen sind ermächtigt, aus den Trümmern aufzustehen und unser Bestes für einen Neuanfang zu geben – gemeinsam, in seinem Auftrag, in seiner Nachfolge. Den Stein vom Grab, die Angst und Trauer vom eigenen Herzen wegwälzen – wir sind tagtäglich dazu aufgerufen!“