Einfach staunen

Wackelstein in RechbergIn die Balance gehen, ist mir spontan zu meinem Gehen und Pilgern im Mittelland eingefallen, als ich heute vor dem Wackelstein in Rechberg gestanden bin. Staunend stehe ich davor. Puuhh. Tag fünf. Eine Tafel zeigt, dass im Franzosenkrieg die Soldaten versucht haben, den Stein aus seinem Gleichgewicht zu bringen. Ihr Versuch ist gescheitert, hat aber dazu geführt, dass der Stein jetzt fester „sitzt“,  festere Balance gefunden hat.

Franzosen am Werk1,5 Millionen Jahre hat es gedauert, bis diese Steinformation „aufgetaucht“ ist. Und dann kommen – um einen Vergleich zu bringen – auf der letzten Seite eines Zeitbuches im letzten Absatz in der vorletzten Zeile ein paar Männer (brauche ich bestimmt nicht gendern) drauf, sie müssten das jetzt kippen, demolieren, in diese Natur eingreifen, sich einen Spaß erlauben. Anstatt staunend davor zu stehen und sich nach der eigenen Balancefähigkeit zu fragen, wollen sie umstoßen, die Natur beherrschen. „Ich kann das, ich mach das, ich probier das, ich tu das.“ Ziehen, schieben, keilen, umwerfen. Kein Respekt, kein Staunen. 1,5 Millionen Jahre gegen den Jux von vielleicht einem langweiligen Nachmittag. Wie heute sehe ich Hybris, grenzenloses Machertum, stupides Herrschen, die Schönheit demolieren, die Natur umstoßen. Ich selbst stehe da und bin sprachlos. So ein wunderbares Bild der Lebenszeit und der Lebensbetrachtung. Viele und vieles sucht heute nach Balance und erlebt Prozesse des Ausreizens und Nutzbar-machens der Natur. Natur wird getreten, ausgepresst, ausgebeutet. Die Blüte einer Rose hat ihren Wert, auch wenn sie nicht im Geschäft angeboten wird. Schwer zu begreifen, wo derzeit alles auf den Markt geworfen wird.

Die Natur auffressen

Fuchswand

Die Wiese ist ausgesteckt

Mein Weg führt über die „Fuchswand“ hinunter ins Dorf, in das Naturparkdorf Rechberg. Rechts am Weg eine große schräge Wiese. Kleine Holzpflöcke sind eingeschlagen, rot markiert am oberen Ende. Man muss kein Hellseher sein, um in der Anordnung die zurkünftige Straße markiert zu sehen. Bis ganz hinten am Wald. Die Häuser rundherum glänzen durch imposante Größe. Manche Häuser könnten ein CoHousing-Projekt sein. Mir ist klar, dass die Gedanken am Weg andere sind als die Gedanken der Gemeindeverantwortlichen. „Jüngste Gemeinde Österreichs“ mit 34,5 Jahren steht auf der Tafel vor dem Amtshaus. „Mit leistbaren Baugrund wollen wir das bleiben.“ Oder so ähnlich. Mir sticht es ins Herz. Baugrund ist Natur und Flächenfras. Zuerst bekommt das Auto seine Straße. Hier genauso wie rund um den Kreisverkehr in Altenfelden, der auf meinem Weg lag. Beispielsweise. Meine Unterkunft beim Dorfwirt in Rechberg betrete ich „kontaktlos“.  Profis in jeder Hinsicht entlang der gerade möglichen Möglichkeiten. Wir wissen: #Covid19. Ein Tag liegt noch vor mir. Ich habe mir erlaubt, das untere Mühlviertel als Solist um einen Tag „zu kürzen“. In der Weltanschauen-Gruppe werden wir im Herbst mehr genießen. Jetzt ist eben vieles geschlossen. Eines ist allerdings nie geschlossen: Die Natur als Lebensmeisterin, als Balance-Stifterin, für andere als billigste und einfühlsamste Therapeutin.  Gehen wir in ihr.