„Einstimmungen“ auf den PGR-Kongress in Mariazell von 13. bis 15. Mai 2010

Mehr als 500 Pfarrgemeinderäte aus ganz Österreich treffen sich zusammen mit den Bischöfen und Verantwortlichen der römisch-katholischen Kirche in Mariazell von 13. bis 15. Mai – zum Kongress und zur Wallfahrt. Im Vorfeld gibt es bereits „Anmerkungen“ und konkrete Überlegungen zur Weiterentwicklung der Pfarren. Ich selber werde am 12. Mai um 9 Uhr zu Fuss von Ybbsitz nach Mariazell zum Kongress aufbrechen. Gehen heißt: Beten mit den Füssen.  Auf meinem Blog möchte ich Dokumente, Erfahrungen und Überlegungen zur Verfügung stellen und ins „Gespräch“ bringen. Es geht um viel.

Gabriel Feiner, Vorsitzender PGR Mürzzuschlag: Kirche braucht Neuausrichtung

„Die katholische Kirche braucht dringend Umkehr und Neuausrichtung – Neuausrichtung in Richtung Jesus Christus. Die Kirche „funktioniert“ in ihren kleinen Einheiten, den Pfarren oft noch recht gut. Heute haben aber immer mehr Menschen Glauben – Hoffnung und Liebe zur römisch katholischen Kirche verloren.
Glaube: Der Kirche kann man nix glauben. Jesus ist für Vergebung, die Kirche vergibt den Wiederverheirateten nicht. Jesus sagt, es sollen ALLE zu ihm kommen, die Kirche stellt Bedingungen. Jesus nimmt in einer patriarchalischen Gesellschaft die Frauen ernst und wichtig. Die Kirche wagt es heute noch Frauen aus dem gesamten Klerus auszuschließen, Frauen das Recht der Berufung abzusprechen, und verstößt gegen das Menschenrecht der Gleichbehandlung der Geschlechter. Die Kirche spricht sich Gegen Sex und Lust aus. Beinahe alle Katholiken sehen aber Sexualität und Lust vor und in der Ehe als göttliches Geschenk. Der katholischen Kirche können wir nicht mehr so einfach Glauben, dazu fehlen Authentizität, das Vertrauen und die Ehrlichkeit.
Hoffnung: Es gibt fast keine Hoffnung auf Besserung. Die Kirche verweigert oft den Dialog, und wo sie Dialog zulässt, ist es meist kein echter Dialog, denn echter Dialog setzt eine eigene Veränderbarkeit, eigene Beeinflussbarkeit voraus. Dass es mit dem Zweiten Vatikanum große Veränderungen gegeben hat, weiß heute fast keiner mehr. Die Kirche tritt als eckiger Stein in Erscheinung, der sich auch beim größten Erdbeben keinen Millimeter bewegen will. Alle Hoffnung scheint verloren.
Liebe: Jesus stellt mit seinem wichtigsten Gebot der Gottes- und Nächstenliebe die Prioritäten eindeutig und klar. Die kath. Kirche stellt pharisäerhaft widersinnige Gesetze auf und verursacht mit dem Verhütungsmittelverbot tausendfachen Tod. Wenn Sie als Bischöfe gegen Abtreibung sind, müssen Sie sich öffentlich für Kondom und Pille aussprechen. Liebe und schnackseln gehören zu einer festen, guten Partnerschaft auch außerhalb der Ehe, die katholische Kirche darf diese Tatsache nicht „verteufeln“, denn wenn die Kirche diesen großen Teil der Liebe unseres Menschseins nicht ernst nimmt, können wir auch die Kirche nicht ernst nehmen. Kirche hat hier jeden moralischen Anspruch verloren.
Was ist zu tun?
Sie als Bischöfe sind nicht demokratisch gewählt, umso mehr sind Sie verpflichtet Ihr Kirchenvolk ernst zu nehmen und zu vertreten. Meist haben Sie ja keinen realistischen Blick mehr für das Kirchenvolk, meist sagt man Ihnen das, was man meint, dass Sie hören wollen, meist werden Sie von selbsternannten Glaubenshütern mit Briefen und Telefonaten sehr beeinflusst, während normale Katholiken ihre Hoffnungen und Wünsche nicht bis zu Ihnen tragen.Liebe Bischöfe, vertreten Sie uns, wir wollen, dass die Priesterberufung nicht mehr an das Zölibat gebunden ist. Wir wollen Gleichbehandlung und gleiche Rechte der Frauen in der Kirche. Wir wollen eine Neuorientierung der Kirche zum Thema Sexualität. Wir wollen, dass Homosexualität in der Kirche als sexuelle Orientierung und nicht als Krankheit anerkannt wird. Wir wollen wieder unserer Kirche glauben können, wir wollen wieder auf Verbesserungen hoffen können, wir wollen wieder die Liebe leben und verkünden können. Dazu ist es notwendig, dass es zu einem neuen Konzil kommt. Liebe österreichischen Bischöfe in Ihrer Verantwortung Ihrem Kirchenvolk gegenüber setzen Sie Ihre Kraft für ein „Erstes Konzil von Assisi“ mit Beteiligung der sogenannten Laien ein, und verändern Sie unsere Kirche, machen Sie unsere Kirche wieder zu einer Kirche im Sinne Jesu! Gabriel Feiner, Schmiedemeister“

Pfarrer Gidi Außerhofer: Sehr geehrter Herr Bischof Kapellari!

„Ich stimme Ihnen gerne zu, dass die Erneuerung der Kirche nicht die „Gefahr einer Spaltung“ mit sich bringen dürfe. Aber in Wahrheit spaltet die Ängstlichkeit und das Nichtstun unserer Kirchenleitung bereits unsere Glaubensgemeinschaft – siehe Austrittszahlen! Deshalb ist Ihrem „Widerstand“ gegen vorgeschlagene Wege der Erneuerung auch Widerstand entgegen zu setzen. Ihre Aussagen konterkarieren übrigens das Kirchenrecht, in dem es heißt, dass „die Gläubigen das Recht und bisweilen die Pflicht haben, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, kundzutun“ (Can. 212 § 3) Als Seelsorger erfahren wir es übrigens als sehr leidvoll, wenn durch die Pfarrverbände in einseitiger Weise die Lösung der Personalprobleme das Heil der Zukunft gesehen wird und damit die – auch von Ihnen angesprochene – Ausdünnung „der missionarischen und sakramentalen Dimension“ der Kirche voranschreitet. Da Sie – laut Sonntagsblatt – „allen KatholikInnen und Katholiken, die sich jetzt verantwortungsvoll Sorgen um unsere Kirche machen, dankbar sind“, erstaunt es umso mehr, dass Sie Vorstellungen solcher engagierter Christinnen und Christen in den verschiedenen Reformbewegungen sehr brüsk ablehnen. Wer sich in den Pfarrgemeinden umhört, der erfährt, dass es „einige Sekunden (nicht Minuten!!!) vor 12“ ist, um Reformen zumindest einmal offiziell auch anzudenken. Nur das wird uns auch helfen Schritte aus der Vergangenheit in die Zukunft auch glaubhaft gehen zu können. Nur wenn die Kirchenleitung (Papst und Bischöfe) glaubwürdig neue Wege in der Verkündigung (lebensbejahende Ehepastoral in allen zusammenhängenden Lebensfeldern) und in den Strukturen (Frauenfrage, Freistellung der priesterlichen Lebensform…) angeht, wird es „noch einmal“ möglich sein, „dass möglichst alle engagierten Katholiken im Boot bleiben“, wie Sie im Sonntagsblatt hoffen. Sie als Bischöfe tragen diese Verantwortung und es liegt an Ihnen, ob Sie endlich auch die aus ihrem Gewissen heraus handeln wollenden Frauen und Männer des Ihnen anvertrauten Kirchenvolkes ernstnehmen und in Rom auch vertreten. Sie befürchten, dass im Boot „gegeneinander gerudert“ wird. Leider erlebt vielmehr ein größerer Teil des Kirchenvolkes, dass die Bischöfe immer weiter „zurückrudern“, sodass die Zielrichtung des gemeinsamen Ruderns nicht mehr klar ist und Spannungen erzeugt. Leider zeigt sich dies auch im Nichtanrühren der sogenannten „Heißen Eisen“ durch die Bischöfe: deswegen bleiben sie auch ständig „auf dem Tisch“. Dies führt zu vielfacher Enttäuschung und Resignation und die Kirche wird so im „Sprung nicht nur gehemmt“, sondern sogar gelähmt.Ich danke den Bischöfen für das couragierte Eintreten für die Missbrauchsopfer. Bei diesem Engagement allein aber darf es nicht bleiben, damit die Qualität der Seelsorge nicht noch mehr leidet und unsere Pfarrgemeinden auch weiterhin Orte der Hoffnung und der Glaubensfreude sein – oder vielmehr noch werden – können. Dazu bedarf es aber sichtbarer und spürbarer Reformen in der Kirche, damit die Schuhe des Kircheseins nicht weiterhin drücken!
In drängender Sorge, dass die befreiende Botschaft des Evangeliums durch die Kirche in geisterfüllter Weise weitergegeben wird, verbleibt mit freundlichen Grüßen, Gidi Außerhofer, Pfarrer in Oberalm und Puch (Erzdiözese Salzburg)“

Beitrag auf ORF Religion:  http://bit.ly/a8IZ6G

1 Kommentar

  1. Danke für die Veröffentlichung der Dokumente.
    Auf http://kKirche.at können alle Interessierten direkt die Texte kommentieren.
    Und die Delegierten können Änderungen an der vorgeschlagenen Resolutionstexten durchführen.
    Mit der Bitte um begeisterten Einsatz für unsere katholische Kirche verbleibt Gabriel

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