Es fruchtet kein Denken ohne die Tat

900_IMG_0871Es gibt Bücher und Lieder, die treffen mich. Punktgenau. Derzeit ist es – wie schon einmal angedeutet – Konstantin Wecker. „Mönch und Krieger“ kann ich nicht diagonal lesen. Das braucht Zeit, Muße und ein immer wieder Herumschauen, ein in den blauen Himmel Hinaufblicken. Die Erfahrungen des Poeten und Liedermachers, den ich am 30. Juni hier in Wien persönlich treffen werde, sind eine herausfordernde Wahrnehmung von Gesellschaft und Ich, von Ich und Selbst, von Spiritualität und Welt-Sicht bzw Welt-Tun. Vor allem das Kapitel zu „Eine neue Politik braucht Spiritualität“ habe ich nicht nur ein Mal gelesen.

Einfach wieder schlendern

„Irgendwann kann man sich nicht mehr mit dem Trivialen beruhigen“, zitiert Wecker S. Kierkegaard. Wer die Welt heute genau anschaut und erspürt, wird dem zustimmen. Und dann schreibt er jenen Satz, den ich in meine Email-Signatur übernehmen werde: „Unzufrieden sein mit dem Leben, mit den Normen der Gesellschaft, mit der Unfähigkeit, Demokratie zu praktizieren, mit der schrecklichen Profilierungssucht und Gier, deretwegen wir die Erde und ihre Bewohner zerstören, ist erst einmal nicht ein Zeichen für einen psychischen Defekt, sondern der Beginn der menschlichen Intellegenz.“ Und dann sucht er die Ursachen dafür, warum die Gesellschaft so aus dem Ruder läuft: „Ich glaube, dieses Verdrängen der eigenen Wirklichkeit, der Spiritualität, ist hauptsächlich verantwortlich für die Unzufriedenheit unserer gegenwärtigen Kultur.“ Da sollten aber kirchliche Würdenträger nicht gleich aufatmen. Wecker meint hier nicht die „kirchlich gebundene Religiosität“, sondern das freie Durchatmen des Ego hinein in das Selbst, das uns alle verbindet. „Unsere Aufgabe ist es, Spiritualität – frei von esoterischen Vermarktungsmechanismen und Elfenbeinturmelei – zuzulassen, sie wieder zu entdecken und ins Diesseits zu befördern.“ Ich selber würde sagen: Das Diesseits dorthin zu öffnen, woher es kommt. Das Leben. Aus der Verbindung zum Transzendenten. Leben kommt uns entgegen.

Politik und die Stille

Wecker, der sich selbst eher im linken Lager daheim fühlt, schreibt, dass er sehr viele kennt, die politisch engagiert sind und sich zugleich offen zu Religion, Mystik und Spiritualität bekennen. „Wenn politisch engagierte Menschen sich immer wieder einmal Ruhe gönnen, nach innen gehen und sich mit dem sogenannten Bösen in sich selbst beschäftigen würden, könnten sie dadurch eine Befreiung von ihren Feindbildern erleben. Wir hängen alle so unauflöslich zusammen, dass es vollkommen sinnlos ist, uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.“ Aus diesen Grunde ist es für politische Menschen unglaublich wichtig, immer wieder in die Stille zu gehen. Denn: „Nichts fördert geistige Unabhängigkeit besser, befreit gründlicher von Gier, Konsumsucht und Duckmäusertum als richtig verstandene Spiritualität.“ Was versteht er unter Spiritualität? „Spiritualität, wie ich sie verstehe, eröffnet vielmehr die Chance, sich selbständig zu revolutionieren, sein eigenes Denken permanent zu hinterfragen beziehungsweise es durch Stille und Schweigen erst zu entdecken.“ Es geht um neues Denken bis in die Tat hinein, aus einer Stille heraus und in der tiefen Verbundenheit mit allem Lebendigen. Ich bin ganz fest überzeugt, dass Jesus ein solcher spiritueller und kraftvoller Mensch war. Im Denken und im Tun.