Gastfreundschaft heilt

Das wird knapp. Der Bus steht, aussteigen, die Domglocken läuten schon. Hinauf zur Landstraße, Rudigierstraße und rein beim Rudigierportal. Die Kleine Schwester Resi ist gerade am Wort und erläutert, warum wir hier im Mariendom zusammenkommen. Charles de Foucauld wurde heilig gesprochen. Heute haben die Kleinen Schwestern und Brüder zum Dankgottesdienst eingeladen. Da bin ich, gerade noch rechtzeitig.

Als Kind einer christlichen Familie ist Charles 1858 geboren, Jugendlicher in einer Welt ohne Gott und Soldat ohne Überzeugung. Reisender mit dem Stützpunkt in Algier und immer irgendwie auf der Suche nach Gott. Als Mönch bei den Trappisten und später Einsiedler im Lande Jesu, Bruder aller in Beni Abbes und Freund der Touareg bis 1916. Am 1. Dez wurde er gewaltsam getötet. Eine bemerkenswerte Biografie, ein bewegtes Leben. Nicht einzufangen in paar Zeilen. Seit jeher bin ich angezogen von diesem „einfachen Leben“, das sich ganz den Menschen öffnete und hingab.

„Meine Kirche ist immer brechend voll, auch wenn niemand da ist.“ Dieser Satz kommt in der feinen und sehr persönlichen Predigt von Bischof Manfred vor, immer irgendwie mit Blick auf die Kleinen Schwestern gegenüber in den ersten Reihen. Charles hat sein Leben und sein Gebet immer auch stellvertretend verstanden. Auch wenn niemand da war, hat er alle hereingenommen. Er war immer „geöffnet“ auf das, wer und was im entgegenkam, ganz in der Nachfolge Jesu. Er hat niemand bekehren wollen. Seine Tür und sein Leben war eine einzige Gastfreundschaft, ganz gleich, wer da gerade eintrat. Die Gesichter der konkreten Menschen, Nachbarn oder Fremden sind die Ikonen. Die Fürbitten stehen in den Zeitungen. Und ich erinnere mich an diese franziskanische Sichtweise: Die Welt ist das Kloster. Die belebten Kreuzungen sind der Kreuzgang. Gastfreundschaft ohne Barrieren ist die heilsamste Botschaft Gottes unter uns Menschen.

Was ihr den Geringsten getan habt, das zählt. Das hat Charles am meisten „getroffen“. So werden diese gastfreundlichen Orte Quellorte für Fragmentierte, für Atemlose oder für Gejagte aller Art. Ermüdung, Erschöpfung und Ausgrenzung bekommt einen Ort, wo ein Ein- und Ausatmen wieder in Balance kommt, Leiden gemeinsam ausgehalten werden kann. Und ich denke an die vielen Menschen, die das täglich tun, ganz konkret: Gastfreundschaft leben.

Nach dem Gottesdienst reden wir noch vor dem Dom. Es ist fein, „alte Bekannte“ zu treffen. Der Bus geht wieder retour. Nach einigen Gesprächen und einem „Drücker“ für Sr. Resi führen mich die Schritte über die Donaubrücke zur Bus-Haltestelle in Urfahr. Ein riesiges Donaukreuzfahrtschiff kehr gerade um, steht quer über die ganze Donau und sucht die neue Richtung. In mir steigen Gedanken auf: Es wird dieses kirchliche Wendemanöver brauchen. Charles de Foucauld ist ein  Leuchtturm, wohin die Reise gehen sollte.  Einfachheit, Begegnung und in die barrierefrei Gastfreundschaft. Sie heilt.