Gottfried wäre damals vielleicht erfroren

Schon einige Male höre ich heute im Radio, dass es „Kältetote“ in Europa gibt. Immer, wenn es so kalt wird, dann fällt mir das Jahr 1985 ein und dazu Gottfried Aigner. Ich habe ihn während meiner Zeit als Zivildiener im Obdachlosenheim der Heilsarmee kennen gelernt. Aus dieser Zeit war ich mit „vielen in der Öffentlichkeit von Linz berühmten Personen“ befreundet und bekannt. Gerade als Pastoralassistent in der Dompfarre habe ich immer wieder von ihnen Besuch bekommen oder bin bei ihnen im Dompark gesessen.

Donau zugefroren

Im Jänner 1985 war es in Linz so kalt, dass die Donau zugefroren war. Ich weiß es noch so genau, weil wir „Donau schauen“ gegangen sind. Ein Vater ist damals mit dem Kinderwagen von Linz, wo heute das Lentos steht, mit dem Kinderwagen auf der Donau hinüber gefahren nach Urfahr. Purer Leichtsinn –  haben wir damals konstatiert. Am Abend kam Gottfried Aigern bei mir im Pfarrhof vorbei und hat mir sein Leid geklagt. „In der Gartenhütte trocknet nichts mehr. Es ist alles nur gefroren“, hat er gemeint. Außerdem hat er geschildert, wie er sich warm gehalten hat in den Tagen bisher, wo die Donau noch offen war. Nächtelang ist er dort auf und ab gegangen, weil es von der Donau „warm herauf gegangen ist.“ „Aber jetzt ist der Ofen zugefroren und ich weiß nicht mehr, was ich tun soll“, war er ratlos.

Ein wärmendes Kammerl

Wir haben im Dompfarrhof ein heizbares Kammerl frei gemacht und ihn dort „einquartiert“. Daraus ist eine jahrelange gemeinsame Geschichte und Freundschaft geworden bis hin zu seinem Sterben. Für mich war er ein „herumvagabundierender Obdachloser“. Ich war immer erfüllt von großem Respekt ihm gegenüber, weil er eigentlich nie sesshaft geworden ist bzw. werden konnte. Wie ein scheues Reh hat er immer wieder „das Weite“ gesucht. Gerade diese arktischen Temperaturen gehen auf „die Substanz“, wie er selber einmal gesagt hat. Es ist gut, wenn in diesen Tagen viele „Kammerl“ aufgehen und damit diesen Menschen das Überleben sichern. Warum ich das hier erzähle? Es rührt mich sehr tief innen an, wenn ich von „Kältetoten“ höre. Diese äußere Kälte hat mich bzw. uns in eine dauerhafte Beziehung gestellt.