Die Kunst besteht darin, Wesentliches zu betonen und erlebbar zu machen

Sehr gut geschlafen. Wunderbares und kaltes Winterwetter. Ein kurzer Besuch bei den ehemaligen KollegInnen wärmt. In der Kirchenbeitragsstelle Linz gibts einen Kaffee. Diese morgendlichen Stationen sind nicht direkt an die Pfarren gebunden. Und doch hat es mich dorthin getrieben, bevor ich die City wieder verlasse.

Weihwasser an der Schwelle

Schon beim gestrigen Ankommen beim Dom verspürte ich eine besondere Stimmung. Am Morgen ist der Dom von der bitterkalten Wintersonne beleuchtet. Ich betrete den Dom von hinten, wie es Dompfarrer Strasser immer wieder macht und anregt. Zehn Jahre war ich hier Pastoralassistent und heute bin ich als Stadtpilger da. Gleich beim Eingang in den Dom fällt mir auf, dass das Weihwasser neu beleutet ist. Ich bekreuzige mich damit als Erinnerung an die Taufe, die Berufung. Mein Licht entzünde ich bei der Pilgermadonna und gehe in den Pfarrhof. Dort werde ich freundlich begrüßt und der Dompfarrer nimmt sich auch Zeit. Ich erzähle ihm von meiner Wahrnehmung des beleuchteten Weihwassers an der Schwelle zum Dom. „Es freut mich, dass dich das anspricht. Es sind doch unsere fundamentalen Zeichen, die wir den Menschen mit Aufmerksamkeit mitgeben können“, meint er. Insofern ist der Dom „Vorbildkirche“ für andere. Ein kleines, aber sehr aufmerksames Detail, das ich heute neu vom bekannten Mariendom mitnehme.

Heute geht es drunter und drüber

In der Kapuzinerstraße treffe ich auf Franz Heinz, der zur Personalsitzung in den Bischofshof geht. „Gibts was Spannendes“, meine Frage. „Nein, das Übliche“, seine Antwort. Der Aufgang zur Kirche von St. Matthias ist seit über 20 Jahren durch die Graffitis der Jugendlichen vom Kapu „geziert“. Ich weiß um den Ärger, den der Pfarrer mit diesen Schmierereien hat. Die Kirche ist still und es gibt – wahrscheinlich wegen des benachbarten Jugendzentrums – keine frei zugängliche Stelle zum Licht entzünden. Der Pfarrhof ist offen, aber niemand da. Der Hausmeister will den Pfarrer suchen, findet ihn nicht. Ich treffe eine Frauenrunde, die den Fasching vorbereitet und wir haben eine lustige Konversation. Dann mache ich mich auf den Weg hinüber nach St. Margarethen. Auf halbem Weg hinauf auf den Freinberg ruft Pfarrer Fink an: „Entschuldige, dass ich nicht da war, aber heute geht es drunter und drüber. Pfarrsekretärin und Pastoralassistentin sind nämlich nicht da.“ „Wir kommen ja in Zukunft ohnehin viel zusammen“, ist mein Trost.  Franz Fink ist Dechant von Linz Mitte und wir werden gut miteinander arbeiten.

Pfarrhaus ist offen

Ein Schüler weist mir den Weg über die Kaiser Franz Josef Warte hinüber nach St. Margarethen – den Linzer Kalvarienberg. Zuerst aber genieße ich den Blick über das weiße Linz an der schwarzen Donau. Eine familiäre Kirche mit einem kleinen Friedhof hoch über der Donau erwartet mich. Im Anliegenbuch in der Kirche notiere ich mein Gebet. Das Pfarrhaus, das auf dem Schild auch als solches bezeichnet ist, ist offen.  Kinder höre ich singen und ich wage mich bis zu ihnen vor, weil alle Türen offen sind. Die Horterzieherin erzählt mir kurz über das Pfarrhaus und die integrative Funktion des Hauses für das Zaubertal. Sonst ist jetzt zu mittag niemand da. „Seien sie vorsichtig, wenn sie die Kreuzwegstiege hinunter gehen“, mahnt die freundliche Stimme. Der Kreuzweg ist ein verborgenes Juwel zwischen Donau, Straße und Berg.Im Rückblich wird mir wieder einmal klar, welche Perle da in der Felswand hängt.

Die Herrschzaftsinsignien sind verbrannt

Über die Nibelungenbrücke geht es nach Urfahr. Eiskalter Wind fegt daher und meine Schritte nach St. Leopold werden immer schneller. Lange war ich nicht mehr in dieser Kirche, die  einmal abgebrannt und dabei das Dach eingestürzt ist. Heute erinnert die teilweise angebrannte Leopoldstatue daran. Hände und Machtinsignien fehlen. Damit wird diese Statue für mich der Hinweis, dass es nicht um Macht geht, sondern um Dasein miteinander und füreinander. Das drückt der Grundriss der Kirche in der Kreuzform gut aus. Im Pfarrhaus (hier auch so bezeichnet) werde ich freundlich begrüßt und im Pfarrheim treffen sich Seniorinnen zu SELBA. Eine ältere Frau begrüßt mich freudig, schlägt mir auf die Brust und ermutigt mich. Sie schwärmen von ihrem Pfarrer, „dem besten Pfarrer der Welt“.

Kontinuierliche Erneuerung

Ich bin nicht weit unterwegs, sehe ich schon den nächsten Turm: Pfarre Christkönig oder Friedenskirche. Das Ensemble ist durch kontinuierliche Erneuerung gekennzeichnet. Neues Pfarrzetnrum, renovierte Kirche, Pfarrhof usw. Auf mich macht es ein einladende Geste. In der Kirche höre ich die Heizung laufen und es ist verhältnismäßig warm. Ich sitze lange. Ein Opa geht mit dem Enkerl eine Runde in der Kirche und ich frage mich: Warum nützen diese großen Kirchenräume nicht mehr Menschen, um der Enge der Wohnung zu entfliehen. Die Kirche hat ein aufmerksame Atmonphäre und das kann auch ein Kind schon einatmen – garantiert unschädlich. Die Pfarrsekretärin macht mir auf und wir plaudern über das Pfarrleben und die Herausforderungen für die Zukunft. Ich spüre, dass sie ihre Arbeit gerne macht. Heute abends werde ich wieder kommen zum Vortrag von Bischof em. Aichern zum Thema „Die soziale Sorge der Kirche“. Ich spüre eine Müdigkeit und auch Hunger und so verflüchtige ich mich ins Lentia. Ich beobachte im Geschäft die Verkäuferin, die jedem Kunden etwas zusätzlich anpreist, freundlich und immer als Sonderangebot. Eine Kundin meint: „Weiß ihr Chef eh, was er an ihnen hat?“ „Die Verkäuferin sagt darauf: „Ich rede aber nich nur im Verkauf viel und gut, sondern auch dem Chef gegenüber, wenn mir etwas nicht passt.“ Ein geradliniger missionarischer Mensch . Mir fällt wieder ein, was ich vorhin am Handy über den Vortrag von Bischof Wanke bei der Thomasakademie  gelesen habe.

Der vorletzte Tag neigt sich dem Ende

Ich suche meinen Weg hin zur Stadtpfarre Urfahr, wo ich ein letztes Mal übernachten werde, bevor ich morgen noch die letzten drei Pfarren in Urfahr aufsuche und dann zu Fuss wieder hinauf nach Kirchschlag gehe. Mein Aufmerksamkeitspotential neigt sich dem Ende. Der eine oder andere ruft auch schon an, welches Resumee ich ziehe. „Beim Hinaufgehen ins Mühlviertel wird Zeit dafür sein“, merke ich immer noch ausweichend an. In jedem Fall wird es darauf ankommen, sich mit Wesentlichem zu verknüpfen und das ist das Evangelium und nicht die Kirche an sich.