Hören und lauschen

adventkranzDer Advent 21 beginnt. Wie wir das bemerkbar machen? Ein Adventkranz hat sich am Tisch oder an einer besonderen Stelle in Wohnung oder Haus dazugesellt. Vier Kerzen lassen erahnen, dass es etwa vier Wochen dauern wird, bis das Geburtsfest gefeiert wird. Aber was tun wir jetzt bis dorthin?

Machen wir einen kleinen Ausflug zum Hören, zum Zuhören und zum Lauschen. Es geht also um das Ohr und die Sinne. Unser Ohr schläft nicht, eigentlich nie. Die Wachheit ist unterschiedlich. Nicht jede Schallwelle wird in Aktivität umgesetzt oder verarbeitet. Oft hören wir und reagieren nicht. Wir unterscheiden. Hören wir intensiver, länger, aufmerksamer, dann sprechen wir von „zuhören und hinhören“. Wenn unsere Aufmerksamkeit ganz auf etwas oder jemanden fokussiert ist, dann sprechen wir von „lauschen und horchen“. Die Enkelkinder lauschen in der Natur oder beim Entdecken.

Bilder entstehen

Ich mag Menschen, die gut erzählen können. Wenn jemand lebendig erzählt, dann entstehen Bilder in uns, auch wenn ich nicht dabei war oder noch niemals dort war. Beispiel Urlaub. Beispiel Stadionbesuch. Beispiel ein Blinder sieht wieder. Wird von einer Peron, einem Erlebnis oder von Eindrücken erzählt, entsteht eine Vorstellung, machen wir uns ein Bild. Treffen wir beispielsweise später die Person, von der erzählt wurde, so sind wir bestätigt oder manchmal auch enttäuscht. Unsere Bilder, die sich entlang des Hörens und Lauschens entwickelt haben, gehen sozusagen in den Reality-Check. Unsere Bilder kommen aus unserem inneren Vorrat an Bildern, die wir im Laufe des Lebens entlang unserer Erfahrungen und Erinnerungen abgespeichert haben. Beim Zuhören entwerfen wir jeweils daraus – ähnlich einem Puzzle – ein Bild, in dem das Gehörte Gestalt annimmt. Denken hat überhaupt viel mit Bildern zu tun.  Schade finde ich heute, dass das Bilderreservoire bei Menschen hauptsächlich aus laufenden Bildern im Fernsehen oder Web gespeist wird. „Fremde Bilder“ bestimmen immer öfter unsere Lebenswelt und unser Denken. Das Kopfkino heutiger Menschen läuft bisweilen entlang der TikTok-Sequenzen. Die digitale Welt „entdinglicht“ die Welt, indem sie sie „informatisiert“. Mit dem Adventkranz steht ein „Ding“ inmitten von uns, das uns zum Hören, Horchen und Lauschen im haptischen Lebensraum einlädt. Der Kranz öffnet quasi den Resonanzraum für ein „waches Ohr“. Was rund um den Adventkranz passiert, speist Bilder ein für das ganze Leben.

Erzählgemeinschaften ermöglichen

„Hören“ spielt in der langen christlichen Tradition eine zentrale Rolle. Der Mensch hat das Bedürfnis, dass er von Gott gehört, erhört wird. Beispielsweise im Gebet. Und genauso umgekehrt bittet König Salomon um ein „hörendes Herz“. Die Propheten danken: Gott hat mir das Ohr geöffnet. In der Erzählung von der Heilung eines Blinden ist „Hören“ das Erste, was Bartimäus tut. Hören heilt. Hören ist eine höchst aktive „Tätigkeit“. Du hörst ja nur zu, gilt nicht. Außer du schläfst oder döst dahin. Bei Sitzungen kommt das vor. Manchmal.  Ansonsten ist Zuhören ein „lebendiges Geschehen“, weil entlang des Gehörten Bilder wachgerufen und „zusammengestellt“ werden. Es hat jede und jeder reihum dieselben Schallwellen an sein Ohr bekommen und doch nicht dasselbe gehört. Das hat mit den eigenen Bildern, den Erfahrungen und Emotionen zu tun, „die auftauchen“. Es kommt auch auf den Vorrat an Bildern an, die uns zur Verfügung stehen. Genau deshalb ist es so wichtig, dass wir dem gemeinsamen Erzählen Raum und Platz geben, damit sich Bilder „annähern“ können. Der Advent, der Adventkranz könnte solche „Erzählgemeinschaften“ ermöglichen. Jede und jeder darf erzählen. Und die Folge ist nicht gleich wieder eine Interpretation, eine Deutung oder ein moralischer Appell. Nein, einfach hinhören und von den eigenen auftauchenden Bildern sprechen. Da passt eine biblische Geschichte gut her. Lebendig vorgelesen oder gar mit Leidenschaft erzählt. Welche Bilder tauchen auf? Der Austausch darüber kann sehr spannend werden. Nirgends sind wir einander so nahe wie in den Bildern, die wir in unserem Inneren tragen und für andere zugänglich machen.  Bei den Prophet:innen heißt es deshalb sehr treffend: „Hört, und ihr werdet leben.“ Und wenn dann noch aktiv gesungen wird, wird sich das geöffnete Ohr im Einschwingen aufeinander besonders freuen.
Übrigens: Das alles geht im „Notfall“ auch digital.