Dieser Papst Franziskus hat mir immer großen Respekt, nicht Bewunderung, abgerungen. Seine Sicht der Dinge von unten, sein Gespür für besondere Orte aus dem Evanglium gesehen und vor allem das #LaudatoSi haben mich inspiriert. Aber in den letzten Tagen lässt er mich ratlos zurück.
„Hören Sie auf den Herzschlag der Zeit!“, sagt er zu den Vertreterinnen und Vertretern einer internationalen Delegation der Katholischen Aktion. Nicht auf Schreibtisch, Papiere und Zoom sollen die Anker in Richtung Zukunft geworfen werden. „Seien Sie aufmerksam, damit Sie keine Antworten auf Fragen geben, die niemand stellt, und keine Worte sagen, die niemand hören will und die keinen Nutzen haben“, so der Appell. Ein Appell, der für alle gilt, die dem Evangelium den Weg bahnen wollen. Hinhören auf den „Herzschlag der Zeit“ ist Voraussetzung für Wirksamkeit. Das ist nicht dem Zeitgeist folgen, sondern den Geist der Zeit erkennen, damit die Saat im Dialog gut aufgehen kann. Dazu kommt jene Sichtweise von Kirche, die nicht am Rande der Geschichte steht oder in ihren eigenen Angelegenheiten gefangen ist. „Wir müssen eine lebendige prophetische Kirche sein, mit Zeichen und Gesten, die zeigen, dass es eine andere Möglichkeit des Zusammenlebens, der menschlichen Beziehungen, der Arbeit, der Liebe, der Macht und des Dienstes gibt.“ Tatsächlich braucht die Welt diese Anders-Orte, um viel mehr in eine geschwisterliche Tonalität und Realität zu kommen. Da bin ich ganz und gar mit.
Aber dann
Schauplatzwechsel in die eigene Organisation, in den Vatikan. Dort haben genau diese Worte keinen Resonanzraum. Ämter, Macht und Dienste werden seit Jahrhunderten entlang der strengen und gegenüber Frauen exklusiven Hierarchie ausgerichtet. Als Johannes Paul II 1994 das definitive Ende des Frauenpriestertums verkündete, hat beispielsweise Bischof Ludwig Schwarz damals in Interviews immer darauf bestanden: „Das ist ein für alle mal geklärt.“ Ich zum Bischof: „Denken wir 500 Jahre weiter. Es tut uns beiden kein Zahn mehr weh. So gemeint?“ Der Bischof mit voller Überzeugung: „Ein für alle mal.“ Dazugesellt hat sich das Redeverbot damals 1994. Wer das Reden verbiete, hat die Diskussionen eröffnet. Das trägt nämlich autokratisch-diktatorische Züge in einer Zeit der liberalen Demokratien. Dass diese Denke in Papst Franziskus so klar hervortritt, hätte ich nicht gedacht. Da hätte ich ihm mehr Behutsamkeit unterstellt. Dieser Papst steht im Widerspruch zu sich selber.
Geschlechtergerechtigkeit heiß gleich Möglichkeit für alle
Wortgewaltig und mit Gedankenakrobatik wird ausgeführt, was niemand wirklich verstehen kann: „Dass Frauen nicht in das Ämterleben eintreten dürfen, nimmt ihnen nichts weg, nein.“ Vielmehr spiegele sich die Würde der Frau direkt in der Kirche, die ebenfalls weiblich sei, wider. Und warum dann nicht geweiht, wenn Frauen für die Kirche, das Ganze stehen? In der Kirche gebe es sowohl das petrinische als auch das marianische Prinzip, so Franziskus. Die Weiheämter hingen mit dem petrinischen Prinzip zusammen, Frauen hingegen seien dem marianischen Prinzip zugeordnet, das „noch wichtiger“ sei. Tut mir leid, lieber Papst Franziskus, aber da scheint etwas aus den Fugen zu geraten. Was Menschen nicht verstehen können, kann keine Realität annehmen. Als Katholische Aktion haben wir zwei Dossiers vorgelegt, die sich mit „Geschlechtergerechtigkeit“ und mit „Beteiligung und Mitverantwortung“ auseinandersetzen. Klar ist, wenn schon petrinisch und marianisch eine Rolle spielen sollen, dann hören wir „im Herzschlag der Zeit“ vor allem, dass beide Geschlechter gleichwertig für beides stehen können müssen. Und genau das wird als Herzschlag am synodalen Weg gerade von allen Kontinenten in den Vatikan getragen. Mir scheint, dass mit solchen Sichtweisen das Prophetische an der Kirche verraten, sie sich selber an den Rand der Geschichte stellt und in ihren eigenen Angelegenheiten gefangen bleibt. Beim Adlimina-Besuch können die österreichischen Bischöfe den Herzschlag der Zeit vortragen.