Keine Lust auf Lustbarkeitsabgabe

Die Landespolitik und -verwaltung zwingt die Gemeinden, alle Möglichkeiten der Geldbeschaffung auszuschöpfen. Unten an der Basis soll „gespart und eingetrieben“ werden, was nur möglich ist. Was ganz oben passiert, wissen und ahnen wir. Das hat uns dazu gebracht, die sogenannte „Lustbarkeitsabgabe“ in Frage zu stellen. Hier wird an den zarten Wurzeln der Freiwilligenarbeit gegraben und herumgerissen. Unsere Überzeugung ist: Wenn die Erlöse des Freiwilligenengagements wieder in die Allgemeinheit fließt, darf es keine „Lustbarkeitsabgabe“ geben.  Es geht hier um mehr als den vorgeschriebenen finanziellen Betrag.
Ich dokumentiere den Brief an den Gemeinderat in Kirchschlag:

Sehr geehrter Gemeinderat,
sehr geehrte Frau Bürgermeister!

Erstmals seit vielen Jahren bekommen wir die Vorschreibung einer Lustbarkeitsabgabe zum Kirchschlager Fasching 2012. Die vier Abende sind ein Gemeinschaftswerk von Pfarre, theaterKIRCHSCHLAG und der Musikkapelle. Sowohl die Präsentationen auf der Bühne als auch die Verköstigung und die musikalische Umrahmung geschehen ausschließlich ehrenamtlich durch unzählige Freiwillige. In diesem Jahr waren es insgesamt an die 100 Personen, die involviert und an verschiedensten Stellen mitgearbeitet haben. Es handelt sich also um ein klassisches Gemeinwesenprojekt mit ausschließlichem Gemeinwesennutzen. Der Reinerlös wird jedes Jahr für den Betrieb des St. Anna Pfarrzentrum, das auch Theaterspielstätte und Konzertstätte ist, eingebracht.

Seit mehreren Jahren wurde für diese Veranstaltung keine Lustbarkeitsabgabe eingehoben. Heuer wurde der Betrag von 369.- EUR auf Basis der Eintritte berechnet und vorgeschrieben. Aufgrund des ausschließlichen Gemeinwesencharakters und der 100%-igen Freiwilligenarbeit ersuchen wir um Befreiung von dieser Lustbarkeitsabgabe.

Wir suchen um diese Befreiung nicht nur aus finanziellen Gründen an, sondern vor allem wegen der fatalen Signalwirkung in Richtung „Ehrenamtlichkeit und Freiwilligenarbeit“. Das Gesetz ist alt und gerade aus diesen Gründen in diesen für eine Dorfgemeinschaft sensiblen Bereichen nicht zur Anwendung gekommen. Wir bitten die politisch Verantwortlichen, auch jetzt und in Zukunft dieses Gesetz nicht zur Anwendung zu bringen. Auch wenn die Finanzen der Gemeinde angespannt sind, so ist der Fokus auf Besteuerung der Früchte der Freiwilligenarbeit nicht der richtige Weg. Es geht für die Gemeinde im Vergleich zum Schuldenstand ohnehin um kleine Summen. Das Signal und das Zeichen gegen Partizipation, Involvierung und gemeinschaftliche Selbstverantwortung fällt allerdings groß und demotivierend aus. Ist die Freiwilligenarbeit am Boden, muss sie mit hohen Kosten verbunden wieder angekurbelt werden.

Bei Bällen und Zeltfesten (z.B. Stone Revolution) wurde die Lustbarkeitsabgabe zum Beispiel immer angewandt. Die Folge ist, dass es immer weniger davon gibt. Vereine und Einrichtungen sehen sich nicht in der Lage, das finanzielle Risiko eines solchen gesellschaftlichen Ereignisses zu tragen. In Kirchschlag ist die Anzahl der Bälle im Fasching auf zwei Bälle gesunken. Mancher Verein musste „drauflegen“, dass sich die Leute vergnügen konnten, und dann noch die Lustbarkeitsabgabe entrichten.

Der Kirchschlager Fasching beginnt im November mit den Konzeptions- und Probenarbeiten. Über vier Monate sind so wie heuer über 30 Personen auf den Beinen. Alles freiwillig und ohne irgendeine finanzielle Entschädigung. Der Erlös geht wieder zu 100% in die Basis der weiteren Arbeit des theaterKIRCHSCHLAG und der Pfarre (Betrieb Pfarrzentrum), das wieder der Allgemeinheit und der Dorfgemeinschaft von Nutzen ist.

Wenn wir das Gesetz genau ansehen, dann werden in Zukunft Bereiche, wo wirklich alles durch das Ehrenamt getragen wird und wo der Gewinn ausschließlich wiederum der Allgemeinheit nutzt, der Abgabe unterworfen. Das wird fatale Folgen haben und auf diese wollen wir mit diesem Ansuchen zeitgerecht und mit Blick auf die Zukunft heute hinweisen. Der erste Schritt zeigt immer, wohin die Reise geht. In unserem Fall in Kirchschlag wird in Zukunft jede Theateraufführung, jegliches Konzert des Musikvereines, der Tag der Tracht, das Annafest, jedes selbst gemachte und aufgeführte Kasperltheater, jeder Frühschoppen mit der Musikkapelle Kirchschlag, das Maibaumaufstellen und –umlegen, jegliche Lesung wie Stifterlesungen, die Sportveranstaltungen wie Granitmann, jedes Kirchenchorkonzert oder Konzerte des Jugendzentrums mit dieser Abgabe „belastet“. Das hängt auch nicht vom Eintritt ab. Das sind keine motivierenden Aussichten. Hier wird an den zarten Wurzeln der Freiwilligenarbeit herumgegraben und Potential entnommen.

Es werden auch keine Förderungen für Vereine in Aussicht gestellt. Eher genau das Gegenteil wird eintreten. Nach dem Jahr der Ehrenamtlichkeit kommt nun die tatsächliche Abrechnung für die Vereine.

Wir bitten den Gemeinderat um gemeinsame Unterstützung gegen das derzeitige Vorgehen der Landespolitik und Landesverwaltung, die ehrenamtlichen Tätigkeiten im Sinne eines aktiven Gemeinwesens nicht zu belasten.

Wir bitten den Gemeinderat, der von seiner Aufgabe her Interessen im Sinne einer guten Gemeinwesenentwicklung politisch abwägen muss, den alten Zustand wieder herzustellen. Jene Veranstaltungen, die für und im Sinne des Gemeinwesens von Freiwilligen durchgeführt werden und der Reinerlös der Allgemeinheit (Gemeinnützigkeit) zugute kommt, sollen von der Lustbarkeitsabgabe befreit bleiben. Das ist nicht einfach eine „Frage des Gesetzes“, sondern der tiefer liegenden „gemeinsamen Wertehaltung“.

Wir bitten höflich um Behandlung bei der nächsten Gemeinderatssitzung.

Unterschrieben haben:
PGR-Obmann und Finanzausschussleiter der Pfarre, Obmann und Regie des theaterKIRCHSCHLAG. In den Headlines der Tageszeitungen wird das ehrenamtliche Engagement gepriesen, in den Niederungen der Verwaltung wird „vorgeschrieben und  penibel verwaltet“.

1 Kommentar

    • Franz Muhr auf 9. März 2012 bei 20:31

    P. Johannes Pausch (Prior Europakloster Gut Aich) hat einmal in einer Predigt gesagt: „jede Lüge zieht hundert weitere Lügen nach sich. Und am Ende bricht das ganze Lügengebäude zusammen, weil ich irgendwann nicht mehr weiß, wann ich wen mit was angelogen habe“.
    Für Feuerwehren und Vereine ist es in den vergangenen Jahrzehnten selbstverständlich geworden, dass sie Veranstaltungen, mit Bewirtung, organisieren und durchführen. Von den 70er bis 90er Jahren war alles eitel Wonne und alle (Veranstalter, Politik und Bevölkerung) waren begeistert von den schönen Festen und Feiern. Und trotzdem haben sich alle angelogen (sich selber und gegenseitig). Feuerwehren haben Feste gemacht, und den Gewinn – jetzt übertreibe ich extrem – vom Alkoholausschank in Geräte investiert, mit denen sie nach einem Unfall die Rauschigen aus dem zertrümmerten Auto bergen.

    Eines haben alle (ehrenamtlichen) Veranstalter gemeinsam: sie kalkulieren die Preise nicht ehrlich.
    In der Erlebniswirtschaft sind € 30,- netto! (x Faktor 2,4 + Mwst ergibt das € 86,40) als Stundenlohn bei der Preiskalkulation hineinzurechnen. Es ist Selbsttäuschung, wenn der Ertrag, durch ehrenamtliche Gratisarbeit dann als Gewinn verbucht wird.
    Eine offene Frage ist auch der Jugend- und Dienstnehmeschutz. Ein Extrembeispiel: ein 16 jähriger Koch/Kellnerlehrling darf nur bis 22:00 h arbeiten. Nach Dienstschluss arbeitet er beim Zeltfest (ehrenamtlich), bis 2:00 h früh, als Schankbursch. Alle freuen sich über den tüchtigen Jugendlichen, nur der Lehrherr nicht. Der platzt vor Wut, wenn der Lehrling nächsten Tag, im Betrieb, eine unbefriedigende Leistung bringt.
    In unserer Gegend (Mondseeland) ist es Sitte, dass Würstl, Semmel, Pommes, Pizza, Bargetränke, usw. irgendwo,von weit her, beim Billigstbieter, gekauft werden.
    In unserer Gemeinde haben in den letzten fünfzehn Jahren die Käserei, das Postamt, die Bankfiliale, 3 Gasthäuser, 9 landwirtschaftl. Betriebe und ein Greisler zugesperrt (Wertschöpfung? Nahversorgung?).
    Seit 1980 haben sich die Nächtigungszahlen um 50% und die Gästebetten um 80% verringert.
    Und für das alles hat die Gemeinde (420 Haushalte, 1.100 EW) , in den letzten 15 Jahren, an den Regionalentwicklungsverein ca. € 200.000,- an Mitgliedsbeiträgen und Projektbeiträgen bezahlt.

    In der Situation ist es zu spät um wegzuschauen, da ist es Zeit um zu handeln, und zwar sofort.
    Wir haben gewusst, was die Politik macht und haben geschwiegen. Die PolitikerInnen haben gewusst, dass die Bevölkerung weiß, was sie machen und haben geschwiegen. Und die Bevölkerung hat gewusst, dass die PolitikerInnen wissen, die Bevölkerung weiß was sie machen, und hat geschwiegen. Und die PolitikerInnen haben gewusst, die Bevölkerung weiß, dass die PoliterInnen wissen, dass die Bevölkerung weiß, was die PolitikerInnen machen, und haben geschwiegen.

    Wie sagt P. Johannes? Am Ende bricht das ganze Lügengebäude zusammen. Wir alle sind schuldig geworden, weil wir weggeschaut haben.

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