Mit sanften Worten geduldig bleiben

Schönborn_Kaineder_WienWarum die Rheinische Post zu einem Interview mit Kardinal Schönborn kommt, ist eine andere Frage. So kommt uns eine Botschaft nach innen von außen entgegen. Die Kathpress und in Folge ORF Religion haben die Inhalte übernommen. „Das Nein zur Sterbehilfe ist unumstößlich“ wird das Interview im Primärmedium getitelt. Das geht gegen den Vorsitzenden des Evangelischen Rates der Kirchen Präses Nikolaus Schneider, den ich persönlich in Köln vor 4 Jahren recht nahe kennen lernen durfte. Ein Mensch mit Empathie und Achtsamkeit. Kein Ideologe. Er würde, wenn seine krebskranke Frau, für die er sein Amt niederlegt, zur Sterbehilfe begleiten, wenn sie den Wunsch dazu äußert . Hans Küng lässt sich das auch offen. In Österreich wird in der Rezeption des Interviews schon anders getitelt: „Es wird Reformen geben“. Das ist die österreichische Erwartung an diesen Papst Franziskus. Der ORF übernimmt diese Headline ebenso. Das alles macht mich neugierig und ich lese Frage und Antwort, Wort für Wort und will die „Stimmung“ erfassen, die emotionale Botschaft.

Prophet oder Revolutionär

Mit seinen für ihn typischen sanften und diplomatischen Worten stellt sich Schönborn den etwas „bohrenden“ Fragen. „Kapitalismus tötet“ teilt er, obwohl er es europäisch zuordnet. Nicht die soziale Marktwirtschaft, sondern der Tubo-Kapitalismus. Da könnte die Wortwahl des Kardinals aus meiner Sicht „forscher“ sein in Anbetracht der geschilderten Tatsachen an todbringenden Verwerfungen. Es gibt aber auch in Österreich Menschen in den finanziellen Eliten, die davon profitieren. Schönborn relativiert die „europäischen heißen Eisen“ (Zölibat, geschieden wiederverheiratet, Frauenweihe) mit einem weltweiten Rahmen, in die er sie hineinstellt. Aber: Zölibat ist in Südamerika mindestens so ein Problem und in Afrika so und so. Und dann sehe ich einen besonderen Trick, der wahrscheinlich im Vatikan seinen Ausgang hat: „Franziskus ist mehr Prophet als Revolutionär.“ Da kann man durchatmen. Da ist jetzt einer an der Spitze, der hat Fehlentwicklungen erkannt. Man apostrophiert ihm einen Zukunftsblick, ein Da-Sein „out of the box“ aber kein Handlungsmandat für jetzt, für heute, hier in Europa, in dieser Weltkirche, in den Seilschaften im Vatikan. Dieser Tage hat mir eine „Insiderin“ erzählt, dass Franziskus im Vatikan selber „nicht wirklich ernst genommen wird“. So wie man eben über einen Propheten, einen „Spinner“ lächelt und zur Tagesordnung übergeht. Da wird ordentlich gemüllert und gemauert. In der Peripherie wird zu all dem mit sanften Worten die Geduld zelebriert – wie in diesem Interview.

Ein frommer Wunsch

Warum kann ein Vorsitzender der Bischofskonferenz nicht einfach sagen: „Hallo Leute in Rom! Wir bauen die kirchlichen Strukturen auf Basis des Priestermangels zurück. Es gäbe genug suchende, sich vernetzen wollende Menschen, aber wir hängen unser Konzept am zölibatären Priester (Mann) auf. Wir verlieren unglaublich an Glaubwürdigkeit, weil wir beim Scheitern einer ehelichen Beziehung den juridische Nichtigkeitsweg anbieten können anstatt der jesuanischen Versöhnung nach einem Scheitern. Eure Ritual-Vorschriften für die Feiern von Gottesdiensten sind sprachlich und vom Empfinden der Menschen ghettoisierend und nicht integrierend, aufbauend, „leicht“. Leute! Dass Frauen „weiheunfähig“ sind kann nicht weiter euer ernst sein. Zeigen wir doch der Welt, dass Mann und Frau gleichwertiges Ebenbild sind und sakramentale Handlungen setzen können. Wir fahren den Laden retour und beschränken uns wegen der „heißen Eisen“ selber. Wir haben uns die „Ideologie der kleinen Herde“ ausgedacht und erklären mit dem Bild des „zu großen Gewandes“ unsere Schließungen. Wir wagen gar nicht mehr zu denken und zu sagen, geschweige danach zu handeln: Hier stehe ich in Wien, in Österreich und bitte euch: Lasst Franziskus einen Revolutionär sein! Wir helfen gerne mit.“

Nicht andere, sondern sich erinnern

 

Ein frommer Wunsch, ein Traum. Wie heißt es im Interview von Schönborn: „Die Kirche hat die Aufgabe, daran zu erinnern, dass es noch Zeit ist, umzukehren.“ Das spricht er zur gesellschaftlichen Entwicklung. Ich höre hier noch viel mehr: „Die Kirche hat die Aufgabe, SICH daran zu erinnern, dass es noch Zeit ist, umzukehren.“

 

1 Kommentar

    • Henning auf 13. August 2014 bei 20:42

    Hallo Ferdinand, nur kurz zur Erläuterung: Ich habe die Meldung für KAP nicht deswegen anders getitelt und aufgezogen, weil ich irgendeinen „ideologischen Filter“ darüber gelegt habe, sondern weil der RP-Titel irreführend ist: Der Sterbehilfe-Sager stellt den letzten, wahrlich kurzen Absatz des Interviews dar, das über weite Strecken eben jene Frage nach Franziskus und Reformen thematisiert. Der RP-Titel ist insofern irreführend und nicht Agentur-vertretbar. Ansonsten ein schönes Lehrstück übrigens zur erschütternd undkritischen Copy-and-Paste-Mentalität in österreichischen Medien: Alle haben die KAP-Meldung via APA fast 1:1 übernommen (leicht gekürzt gegen Ende hin) – aber eben auch mit meinem Fehler, dass die Enzyklika von 1991 nicht „laborem exercens“ sondern „Centesimus annus“ ist…

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