Regenerativ kochen, arbeiten und leben

Die Headline könnte auch nur ein Wort sein: regenerativ. So richtig in meinen Ohren angekommen ist dieses Wort mit dem breiten und aktuellen Anliegen von Georg Friedl vor etwa drei Jahren. Er kocht und mühlviertelt schon seit geraumer Zeit. Und das tut er an verschiedenen Orten. Heute mittag war endlich Zeit, ihn im Genussviertel im Winkler Markt in Linz-Urfahr zu besuchen, sein „regenerativ Gekochtes“ zu genießen. Und es war ein Genuß.

Die Straßenbahn mit der Aufschrift „Universität“ endet dort, zieht ihre Umkehrschleife. Wer hier aussteigt, biegt gleich rechts weg und ist nach drei Minuten beim Eingang zum Winkler Markt. Das hat bei mir einen besonderen Klang, weil ich als Erzieher am Petrinum Wolfgang und Franz als Schüler hatte. Mehr als vierzig Jahre sind seither über das Land gezogen. Winkler war für mich immer mit regionalem und überschaubarem Handel verbunden, stets persönlich gestaltet, einfach gut und tragfähig. Und genau diese Idee hat überlebt neben die Mega-Einkaufskonzernen, die überall das Immer-gleiche verkaufen.

Die innere Dynamik der Natur

Das Genussviertel liegt gleich am Eingang links. Georg Friedl lacht uns schon entgegen. Sein Gekochtes wird gerade ausgeteilt an die zahlreichen Hungrigen, wir mitten drin. Zwei Gerichte stehen zur Auswahl, eines davon vegetarisch. Was ist regenerativ? Georg schöpft die Suppe und füllt unser Teller. Der Salat steht bereit. Regenerativ? Alles soll so wachsen können, aufbereitet und zubereitet werden, dass sich die notwendigen Prozesse immer regenerieren können. Der Boden, die Pflanzen, die Verarbeitung und die Menschen, die damit arbeiten. Und wir beim Essen. Im Buch „Systemsturz“ (Kohei Saito) wird geschildert, wie schon Karl Marx vom Gesamtstoffwechsel in und mit der Natur spricht. Es geht nicht einfach darun, die Stoffe und Materialien aus der Erde herauszureißen, zu produzieren, zu verbrauchen und wegzuwerfen. Wir müssen lernen, unser Leben hier auf der Erdkruste im Stoffwechsel und Kreislauf mit der Natur zu sehen. Das ist zentral – und regeneriert wirklich. Die Dinge gebrauchen, nicht verbrauchen. Die innere Dynamik der Natur respektieren und unser persönliches Leben in dieser Dynamik gestalten, auch alle Wirtschaftsprozesse, einer neuen Mitweltgerechtigkeit nachspürend. Nicht einfach Entnahme, plündernde Ernte oder künstlich industriell „produziert“.

Was da ist

Georg verkocht beispielsweise die „übrigen Sachen“ aus dem nebenan befindlichen Markt. Wer schon etwas in die Jahre gekommen ist wie unsereins, der oder die weiß Erfahrungen zu erzählen. Früher schaute man in den Keller, den Vorratsraum, was da war und hat das Vorhandene verkocht. Bei uns am Bauernhof war Gott sei Dank immer irgendwie etwas da. Heute entscheidet man, was gekocht wird und geht dafür einkaufen. Oft verliert sich der Kochvorgang selber und der Hunger mündet im Fertiggerichtverfahren. Es gibt aber auch das Früher heute noch, auch bei den Jungen, weil es das Zukünftige ist, auch wenn uns die Werbung in die lautlose Bequemlichkeit geleitet. Mit Liebe einfach kochen wird Bestand haben. Es geht ja nicht um Kalorienzufuhr, sondern um den Genuß des aus dem Stoffwechsel mit der Natur uns zur Verfügung Stehenden. Und die Natur ist großzügig. Und genau hier ist das Wenige und das Gute, regenerativ gewachsen, geerntet, verarbeitet und gekocht das, was wir biblisch „in Fülle leben“ nennen. Wir plaudern noch kurz mit Georg und sehen durch das Fenster, dass die Straßenbahn um die Ecke biegt. Sie bringt uns zusammen mit unserem Klimaticket wieder weiter, auch in regenerativer Art.

Regenerativ weist in die Zukunft

In diesen Tagen lesen wir immer öfter, dass sich Anlagenvertreter und Geldwirtschafter Sorgen machen um den Wirtschaftsstandort Europa und Österreich. Ihre unüberhörbare Botschaft lautet: Immer mehr arbeiten und damit Wirtschaftswachstum generieren. Wie geht wesentlich und weniger ist ihnen fremd. Jeder Hinweis auf den „Stoffwechsel“, in dem wir mit Mutter Erde verbunden sind, ist ihnen fremd. Take it, make it und immer noch viel zu viel waste it. Darin enthalten sind genau jene Arbeitsprozesse, die sich nicht an Regenerativität orientieren sondern eher am Sklaventum an der digitalen Leine, im Selbstoptimierungskäfig die Spur ziehend, von draußen die Peitsche der Investoren und der Börse hörend. Wer kann heute die Früchte seiner Arbeit noch sehen und als seinen oder ihren wertvollen Beitrag zum Ganzen erleben? Wenige. Georg hat gekocht und uns sein Gekochtes auf den Teller gelegt. Das wünsche ich allen, die mit Arbeit etwas „erzeugen“ für den Hunger der Menschen oder sorgen (care) für ein gutes Leben aller. In jedem Fall ist „regenerativ“ eine gute Richtung, in die es gehen muss. Übrigens: Regenerativ ist bei indigenen Völkern eine Selbstverständlichkeit. Von dort her können wir lernen und nicht umgekehrt.