Sag Reform und nichts wird anders

Dürnstein

Dürnstein

Es gibt magische Worte: Einsparung. Innovation. Schulden. Reform. Gerade das Wort Reform wurde zum Hammer, der die Nägel treiben soll. Bis 17. März 2015 wird damit die Steuer beschworen, umtänzelt, anvisiert und wieder auf Distanz gehalten. Wer in die Runde schaut und etwas genauer dahinter schaut, wird feststellen: Dort, wo mit Reform hantiert wird, ändert sich am wenigsten. Ich erinnere mich noch ziemlich genau, wie die Universitätsreform nach drei Anläufen und Umrundungen wieder am Start angelangt war. Das jahrzehntelange Reform-Bemühen in der Kirche ist schließlich auch in Ermüdung und Erschöpfung geendet. Der Papst wird in seinem Reform-Eifer zwar medial groß unterstützt, in der Kurie lässt man ihn zum Teil „anrennen“. Sichtweisen wurden durch seine „Bewegung“ anders. Der Gegenstand selber, die römische Kirche, hat sich noch nicht bewegt. Die Gleichwertigkeit der Frau oder der Umgang mit Scheitern sind noch „reformfähig“.

Die Drittel-Gesellschaft

Oskar Negt

Oskar Negt

Beim Symposion Dürnstein hat Oskar Negt, ein Schüler von Adorno, recht klar unsere Gesellschaft „gesehen“. Negt sieht in der neoliberalen und durchökonomisierten Gesellschaft drei große Entwertungen: Erinnerung, Bindung, Erfahrung. „Das kapitalistische System kann mit Erinnerung und Bindung nichts anfangen. Außerdem wird die Erfahrung entwertet, herabgestuft, verdrängt.“ Drei Strukturelemente sind vielmehr heute im gesellschaftlichen System tragend. Die Polarisierungen wie arm – reich, Zentrum – Peripherie, schnell – langsam. Weiters wirken Flexibilisierung und Entgrenzung ausbeuterisch. „Diese idiotische Ich-AG führt zur Verzehnfachung sozial-therapeutischer Maßnahmen.“  Weiters führt das Systemelement Abkoppelung dazu, dass Probleme, ja ganze Staaten von Ratingagenturen einfach aus dem System abgekoppelt werden. Der überflüssige Mensch ist die Folge. Negt sieht drei Drittel in unserer Gesellschaft: 1. Gesicherte Lebenssituationen inklusive der Medienapperate. 2. Prekäre Lebenssituationen ohne konstante Lebensverhältnisse. 3. Dauerhaft Überflüssige ohne irgendeine Perspektive.

Kosmetik mit Reformen

Man muss kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass die sogenannte Steuerreform keine Reform der Drittel-Gesellschaft bringen wird. Mehr Netto von Brutto bringt denen mehr, die mehr Brutto haben. Das wohlhabende Drittel wird neue Steuern mit großen Lobby-Agenturen abwenden. Das ist relativ leicht zu erklären, gehören die etablierten Parteien zum oberen Drittel und kennen zum Beispiel das untere Drittel nicht einmal aus der Zeitung. Dort kommen diese „Überflüssigen“ nämlich nicht mehr vor. So kämpft das obere Drittel mit dem zweiten Drittel um die Reform. Es wird Kosmetik in einem Wahljahr sein (Wien, OÖ, Burgenland, Steiermark). Wenn dann der deutsche Finanzminister viel umjubelt Richtung Griechenland sagt: „Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität.“ Er meint die Realität des oberen Drittels. Dafür gilt es Sparprogramme abzuliefern. Dort wären echte Reformen notwendig, auf allen ebenen. Aber: Wer reformiert will eigentlich alles so gestalten, dass es mir nutzt. Die Elite reformiert und es bleibt so günstig für sie wie bisher.