Anfüllen oder ausleeren. Tempo oder Empathie

Letzte Woche war ich bei einer Buchpräsentation auf der JKU in Linz und Ewald Novotny, Gouverneur der OÖNB und Mitglied es Rates der EZB, war anwesend. Er hat von seinen Erfahrungen aus dem Vorbereitungskomitee zum europäischen Finanzministertreffen erzählt. Es wurden keine Geheimnisse ausgeplaudert. Erzählt hat er, „dass heute Vormittag der italienische Vorsitzende  der Kommission erstmals die Frage gestellt hat, welche Auswirkungen die vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Bevölkerung Griechenlands haben werden.“ Ich höre stutzig auf. Erstmals?. Im Anschluss an die Feier fragen wir in der Runde nochmals nach, um nichts falsch verstanden zu haben. „Ja, diese Frage ist in dieser Form wurde erstmals gestellt“, bestätigt der Gouverneur. Wir waren etwas sprachlos. Nach meinem Verständnis von „Politik im weitesten Sinne“ müsste das die erste Frage sein. In der Finanzwelt ist das aber überhaupt keine oder eben erst ein aufkeimendes Pflänzchen. Statt dessen hasten Politiker und Banker eilig herum, beschließen in immer kürzer werdenden Abständen „Rettungsmaßnahmen“ und vermitteln so den Anschein, „dass dieses hastige Tun für die Menschen geschieht“. Die Medien spielen mit. Mit diesem hastigen Spiel verstellen sie die Bühne so, dass niemand mehr „dahinter schauen kann“, was wirklich läuft. Das erzeugt Skepsis bis Angst und lässt kein Vertrauen aufkeimen in die, „die da angeblich für uns da sind“.

Leere oder volle Flasche

Bei einer Besprechung in den letzten Tagen hat ein Teilnehmer zu Beginn ein wunderbares Bild vorgeführt. Er stellt zwei Flaschen vor sich hin. Eine ist komplett leer und die andere gefüllt mit Zettel, Geld, Rechnungen, Zeitungspapier,usw. Er bläst nun in die gefüllte Flasche. Nichts außer einem oberflächlichen Hauch ist zu vernehmen. Dann stellt er sie hin und nimmt die leere Flasche und bläst hinein. Ein tiefer und tragender Ton erfüllt den ganzen Raum. Er meint: „Wenn du einen Ton erzeugen möchtest, dann musst du die Flasche leeren und dem Lufthauch einen freien Resonanzraum öffnen.“ Zuerst ausleeren – dann hineinblasen. Ich nehme aber wahr: Die Flaschen werden heute immer mehr und schneller angefüllt mit schnellen Aktivitäten, Events. Dann wundern sich die politisch Verantwortlichen, „dass ihr kräftiges Hineinblasen nicht gehört wird, keine Resonanz findet“.

Leer und dankbar werden

Die Menschen sind übervoll und mit noch mehr „Material“ werden sie nicht erreicht. Empathie besagt, dass ich behilflich bin beim Ausräumen, beim Reduzieren und Raum öffnen für eine neue Haltung der Wirklichkeit gegenüber. Eine andere Welt ist möglich. Die Menschen wissen es – und mit Hilfe der politischen Entscheidungsträger, die nicht dem System sondern den Menschen dienen, schaffen sie auch diese neue Lebensqualität. Weniger ist mehr. Ich höre den tiefen Ton. David Steindl-Rast spricht von der tiefen Haltung der Dankbarkeit als die wertvollste Ressource. Bei meinem Weitgehen nach Assisi habe ich das auch erlebt und bestätigt bekommen. Nur durch die Haltung der Dankbarkeit ist die penetrant geschürte „Sehnsucht nach allem“ gestillt. Politik heißt nichts anderes, als in dieser Haltung der Dankbarkeit in Empathie zu denen, denen ich verpflichtet bin (den konkreten Menschen, den Wählern), Welt zu gestalten. Ich höre in mir einen tiefen Ton.

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  1. […] bin mir sicher, dass in den Kommissionen und Arbeitsgruppen auf europäischer und nationaler Ebene die Frage der konkreten Menschen keine Rolle spielt. Politiker nehmen sogenannte „Studien“ als Basisbezug. Diese Tendenz […]

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