Wenn Marke die Kirche anschaut

1_450_IMG_6221Manche Dinge brauchen Zeit. Sie wollen sickern. Schaffen Nachdenklichkeit. Gehen in Gedanken neben dem Alltag her wie eine Katze, die nicht aus den Sichtfeld verschwindet. So geht es mir mit den Gedanken und Ausführungen eines Freundes, der sich mit Marke und Identität „beschäftigt“. Franz Hirschmugl aus Graz war einer der Keynotes bei der Pastoraltagung #ÖPT16  in Salzburg: Was Kirche von Marke lernen kann? Der gesamte Vortrag ist sicherlich bald auf der im vorigen Jahrtausend entworfenen Website www.pastoral.at zu finden. Diese „Katze“ kommt mir deshalb wieder mehr in den Sinn, weil der Tag der Amtsübernahme von Bischof Manfred Scheuer in Linz näher rückt. Wo geht die Kirche, wo die Diözese Linz hin und wo die Pfarren, die seelsorglichen Einheiten? Der gesellschaftliche und kirchliche Umbruch ist täglich spürbar. Die Veränderung ist nicht mehr vor der Haustür, sondern steht im Vorzimmer. Ohne Anläuten hat die Veränderung die Wohnung, den Wohnraum, das Privateste des Menschen betreten. Selbst in der Kirche ist es so. Die „Umwälzungen“ sind in der Sakristei angekommen, auch wenn sie dort teilweise noch nicht „gesehen, erkannt“ werden. Das Alte hält Stellung und spürt, dass ihr der Boden entzogen wird, das Fundament erodiert. Gehen wir linear weiter, wackeln wir in die prognostizierte Bedeutungslosigkeit.

Das Heute stellt dem Menschen Fragen

3_450_IMG_6210In letzter Zeit wird mir persönlich immer klarer, dass die allseits ersehnte und politisch-medial angebetete „Sicherheit“ nicht einfach auf einem Sockel aus Beton steht, sondern vor allem in der Fähigkeit, neue Verknüpfungen einzugehen, Synapsen zu bilden. Identität und Heimat kommt aus einem Netz von Verbindungen, Beziehungen, in denen wir leben und einander tragen, manchmal ertragen. Das verlangt aber nicht Stillstand, sondern Bewegung, Movement. Das ist für das Christentum fundamental, konstitutiv. Jesus ist herumgezogen, hat Begegnung gesucht, angestiftet. Er war „Vagabund seiner und in seiner Zeit“, hat das Aggiornamento mit der Zeit gesucht und gefunden. Er hat Erstarrungen, Fundamentalismen schwer in Frage gestellt, kritisiert, mit ihnen gestritten. Es hat ihm das Leben gekostet, weil er aus der spirituellen Geöffnetheit auf seinen Vater, seine Mutter im Himmel hin für die Machthaber zu „fluid“ geworden ist. Sein Leben hat sich angefühlt wie ein einziger Aufstand gegen das Erstarrte, das Geschlossene, das Elitäre, dem Mammon. Dieser Jesus stellt sein Leben, sein Tun und seine Fragen in das Heute. Und dieses Heute stellt selbst die Fragen an den Menschen, hier und jetzt.

Der Blick von Außen

Hirschmugl bringt bei der Versammlung seine Wahrnehmung von Außen auf die Leinwand. Er fragt zuerst, was man an uns schätzt? „Heimat und Haltegriff für viele Menschen. Orientierung im Jahreskreis. Konkrete Hilfe und Tröstungen in vielerlei Hinsicht. Identität des Landes lange geprägt. Bildungsträger über lange Zeit.“ Das ist gut so. Darüber können wir froh sein. Ich sage bewusst dazu, dass das nicht einfach Sache der Profis, des Klerus ist, sondern Aufgabe der Getauften, der Frauen und Männer, der jesuanisch geprägten Communities wie Orden oder „Pfarrgemeinschaften“. Dann stellen sich aber Stolpersteine, unnötige Lasten, die alles beschweren. Hirschmugl fragt die Versammelten: Was können wir besser machen? „2.000 Jahre Tradition und deshalb sehr viel Asche. Daraus resultierende überaltete Rituale, Symbole und Sprache. Ein ziemlich unnachgiebiges Regelwerk. Ausgrenzung, wo man hinblickt, zum Beispiel durch…. Umgang mit der größten Minderheit in unserer Gesellschaft.“ Ausgrenzen bezieht er beispielhaft auf Wiederverheiratet-Geschiedene und Umgang auf Frauen. Gerade in der Frage der Geschlechter werden aus der Asche Absperrungen für Frauen errichtet. Die Frauen werden in der Kirche verbal gewürdigt. Die Körpersprache der Liturgie spricht aber eine Männersprache. Das werden wir vermutlich auch bei der Amtseinführung des Bischofs sehen. Im Fernsehen wird uns Männerkirche übertragen. Der Altar in Männerhand. Ich sehe das jetzt von Außen. Das ist die Außenwahrnehmung. Und was ist Marke? „Marke ist das, was Menschen in einem Raum über mich sagen, wenn ich nicht da bin.“ Ich vermute: Es bleibt viel zu tun. Gerade auch für den neuen Bischof. Soweit ich ihn kenne, vertraue ich: Er wird richtige Impulse in die richtige Richtung setzen. Dafür ist jetzt die richtige Zeit.