Wer nichts sieht, hört vielleicht besser

Kinderklangwolke

Kinderklangwolke

Bernhard Lichtenberger schreibt in den OÖN über einen süffisanten LIVA-Chef und einen grollenden Maestro. Grund: Ein bildloser Klang bei der klassischen Linzer Klangwolke. Das Konzert wurde heuer nicht wie seit 2005 üblich via Video-Leinwände in den Donaupark übertragen. Spargründe waren ausschlaggebend. Scheingründe wurden inszeniert. Das notwendige Umdenken wurde leider nicht thematisiert.

Weniger Leinwände stärken Hörvermögen und Phantasie

2_kiklaWer schon einmal mit dem blinden Andy Holzer zusammen war, ist wahrscheinlich auch von seinem Hörvermögen fasziniert gewesen. Es hat fast den Anschein, dass die Ohren die Aufgabe der Augen übernommen haben. In unserer Gesellschaft ist es genau umgekehrt. Da werden mit großflächigen Bildern, mit allgegenwärtigen Video-Leinwänden die Augen zugeschüttet, dass selbst die Ohren und alle anderen Sinne unfähig werden. In jedem Gastlokal hängt schon ein Flatscreen mit irgendwelchen Sport- oder News-Sendungen. Das Auge will angezogen werden. Es wundert mich des öfteren, dass Restaurants von ihrem Essen ablenken. Oder ist es das Essen nicht wert, sich darauf zu konzentrieren? Das Auge ist am anfälligsten für die „Verführungen von außen“. Das Ohr ist jenes Sinnesorgan, das der Mensch als erstes bekommt (schon im Mutterleib) und das Gehör ist das letzte, was aus einem sterbenden Menschen hinausgeht. Das Ohr und das Hören ist etwas ganz intimes, tief gehendes. Darum ist Radio intimer. Das Auge sieht die Oberfläche, das Außenbild. Ich bin ganz fest überzeugt, dass die fehlenden Leinwände (aus welchem Grund auch immer) eine große Chance sind, vom viel mehr Oberfläche hin zu viel mehr innerem Hören und Erleben zu kommen. Auch wenn alle Welt derzeit visualisiert, so ist es nicht der Weg in die Zukunft. Wer die Augen schließt und die Musik ganz in sich aufnimmt, erlebt wahrscheinlich den höchsten Genuss und das weite Feld der Phantasie. Also: Nicht viel mehr sondern wesentlich weniger wird die Zukunft bringen.

Einfacher und konzentrierter

Alle Mitwirkenden

Alle Mitwirkenden

Die Kinderklangwolke, die ich selber miterleben durfte, war ein sehr schönes Beispiel, worum es geht. Ein Zirkusdirektor, die wunderbaren Stimmen des LALA-Vokalensembles und Kinder, die tanzen, singen, malen zu den einfachen Melodien alter Kinderlieder – neu und kreativ präsentiert. Die Bühne war voller Begeisterung und die ist herüber gesprungen. Ich hatte verschiedene Kinder auf meiner Schulter sitzen und alle haben irgendwie mitgewippt oder mitgesungen. Keine Leinwand, sondern ein analoges „zusammensehen und -hören“. Keine besondere Technik. Es braucht heute viel mehr Einfachheit und wesentlich weniger „technisch dislozierte Visualität“, visuelle Wahrnehmung. Der Mensch ist bequem geworden. Der Fernseher arbeitet täglich daran. Frage eine/n ZuhörerIn, was gesagt wurde. Die Antwort ist meist: Das weiß ich nicht mehr, aber schön hat er gesprochen. Das nutzen auch Politiker. Auch sie werden von großen Leinwänden begleitet. Es ist dann nicht mehr so wichtig, was man sagt sondern wie. In New Orleans hat jede Kirche (aller Testimonien) eine große Leinwand vorne angebracht gehabt. Die Bilder haben mich fast „erschlagen“. Vielleicht war es auch das Ziel: visuelle Abhängigkeit. Bei unserem Themenschwerpunkt höre ich gerade von den externen GesprächspartnerInnen, dass es heute „viel mehr Stille braucht“. In Salzburg haben wir beim Gespräch im Zoo lange über die rasant zunehmende „Lichtverschmutzung“ gesprochen. Finsternis, Stille stärkt das Hinhören, das Hören, das Hineinhören. Herr Hans.Joachim Frey, Herr Dennis Russel Davies: Die Leinwand hat für alle jene nicht gefehlt, die Musik hören wollten. Wer Ohren hat, der hörte die wunderbare Musik. Oft sind Engpässe der Anstoß für Neues, für die Konzentration auf das Notwendige. Insofern könnte das ein Fortschritt sein.