Wie wir in eine gute Zukunft kommen

Mein Vater hat mir mehrmals mitgegeben: Sprich nie pauschal. Wenn ich über die Zukunft der Katholischen Aktion und der Gliederungen gefragt werde, muss ich immer einen Absatz davorsetzen, nicht pauschal gemeint, sondern in den jeweiligen Nuancen der Betroffenheiten.

Irgendwie sind die Institution Kirche und ihre amtskirchlichen Vertreter ins Abseits unterwegs. Den Relevanzverlust spüren und artikulieren die Bischöfe selber. Die vielen Austritte zeigen die Erosionen. „Katholisch“ ist ein enges Wort geworden und sogar verdächtig. Wir kennen die Schlüsselworte für den Vertrauensverlust: Missbrauch, fehlgeleitete Kleruszentriertheit („Hohe Geistlichkeit“), Selbstbezogenheit, Selbsterhaltung, Frauen dürfen nicht gleichwertig mitspielen, das „Why“ (wofür, wozu) erscheint schwammig, der Magnetismus eher abstoßend. Manches ist unbeholfen, unprofessionell und in „wie vor 30 Jahren“ stecken geblieben. Jede Betonung des Institutionellen an der Kirche schafft mehr Distanz als Nähe.

Was braucht der Mensch

Szenenwechsel: Wonach hungert der Mensch? Es sind drei Grundbedürfnisse, die jeder Mensch hat. Habe ich schon mehrmals dargestellt. Da ist erstens die Sehnsucht nach ZUGEHÖRIGKEIT und SOLIDARITÄT. Zweitens sucht jeder Mensch SINNVOLLE TÄTIGKEITEN und lebendige RITUALE. Gibt es drittens ANERKENNUNG und WERTSCHÄTZUNG, dann stellt sich ein feines Grundgefühl zum Leben ein. Deshalb: Wer für diese Grundbedürfnisse „kocht“, diesen „Grundhunger“ bekocht, wird für die Menschen nährend und nicht zehrend. Ist die Basis ein sozial-ökologisch-spirituelles Welt- und Menschenbild mit der klaren Option für die „Schwächeren“, dann sind wir sehr nahe dran, was die Jesusbewegung der ersten Jahrzehnte so anziehend gemacht hat. Und genau in diese Spur oder in die Nähe gehört die Katholische Aktion in ihrer größten gemeinsamen Vielfalt.

Die drei Felder der KA

Wenn ich gefragt werde, wofür es eine Katholische Aktion #kaoe geben soll, dann sprechen wir immer von drei Feldern: 1. Die Menschen vergemeinschaften. 2. Die Stimme erheben für die Vielen. 3. Avantgarde sein für neue kirchliche Präsenzen. Und wie kann das annähernd gelingen?

Freiräume aufmachen“. Die Pfarrzentren beispielsweise gehören den Kirchenmitgliedern. Bei uns im Bergdorf sind dafür 100 Schlüssel mit Verantwortung ausgegeben. Da ist Platz für Musik, Bühne, Bewegung und Raum für Soziales. Offen und frei sollten die Ressourcen sein und Beteiligung und Engagement auf Augenhöhe ermöglichen.

Rituale und Symole“. Viel „Sprachstaub“ hat sich da angesammelt. Das liturgische Gehabe gilt es zu reinigen und zu befreien, damit das Leben atmen kann. Jesus war kein Kultpriester. Es geht darum, eine Balance zu finden, wo Volksfrömmigkeit geachtet und Neues praktiziert wird. Eine breite Beauftragung von ehrlichen und authentischen Frauen und Männer zu den liturgischen Diensten durch die Bischöfe ist überfällig. Menschen sind symbolbedürftig. Das braucht schöne, aufbauende und befreiende Darstellungen von Kreuzen und christlich Symbolen, angstfrei und hoffnungsschwanger.

Gezieltes Hinausgehen in die Fremde“. Priester, Mitarbeiter:innen und Verantwortliche sollten im Laufe von Jahren die Haustüren, die Wohnungstüren, die Arbeits- und Freizeitplätze im Normalbetrieb kennen, vor allem von den Menschen, die es schwer haben. Weniger Schreibtischarbeit (Bürokratie) und mehr Gesprächszeit, gezielt auch entlang der Hausnummern an den Straßen. Gott ist draußen, in der Fremde, bei den Fremden. Das Fremde stellt die schönsten Fragen. Begegnung nährt.

Eine neue Jesus-Sprachfähigkeit nimmt Platz“. Eine solche Sprache erzählt von Jesus und urteilt nicht, beschreibt das Leben und moralisiert nicht, sucht eine Beurteilung und handelt. Die Jesusgeschichten sind heute nicht vorauszusetzen. Jesus ist den Menschen fremd geworden. Jesus war nie von oben herab, sondern hat Füße gewaschen, zugehört, Lebenskräfte geweckt und geheilt, den Himmel geöffnet.

Kirche ist ein soziales Lebewesen“. Die Idee Jesu, einander das Leben leichter und froher zu machen, bildet den Klangraum für ein „gemeinsames Singen des Lebens.“ Es braucht uns als KA als eine „verbündete Prophetie“, als Prophetinnen und Propheten. Als KA öffnen wir bewusst „prophetische Resonanzräume“, gerade in gesellschaftspolitischer Hinsicht. Deshalb bin ich so happy, dass wir so profilierte Personen unter uns haben in leitenden Funktionen. Unsere KA-Dossiers geben Orientierung. Und am Ende bleibt bei allem die entscheidende Frage: Kommt durch uns mehr Liebe, Compassion, Empathie, Fairness in die Welt? Das verleitet mich zu einem meiner Lieblingsaussprüche: Gib alles außer auf.

Das Digitale hat Religionscharakter angenommen“. Das sollten wir bedenken. Werte und Wertschätzung werden heute im digitalen Raum verhandelt, kurzatmige und flüchtige Rituale betrieben und durch ein Dauervibrieren das Bedürfnis nach Zugehörigkeit insinuiert. Byung-Chul Han konstatiert: Früher gab es Gemeinschaft ohne Kommunikation, heute haben wir Kommunikation ohne Gemeinschaft. Die haptische Vernetzung der Getauften und weit darüber hinaus kann „Kirche“ als Andersort erlebbar machen. Technogene Menschen finden in den convivialen und sozial-ökologisch-spirituell geprägten Räumen in die Tiefen des Staunens, Schweigens und der Dankbarkeit. Ein Seinsmodus macht sich breit. Eine neue Solidarität bricht auf. Haptisches Gemeinschaftserleben bleibt ein Leben lang.