Alles verfestigt sich

Ich weiß nicht genau, wie es den Menschen auf der Straße, in der Arbeit und in den Wohnung geht, wenn täglich der scheidende Papst von den Titelseiten lächelt oder schwächelt. In jedem Fall ist klar, dass dieser Papst mit seinem Rücktritt, das kommende Konklave und der neue Papst die Medienstuben auf Trapp halten. Der Logik der Medien entsprechend darf das Neueste, das Ungewöhlichste, das Skurilste nicht versäumt oder gar verschwiegen werden. Von kirchlichen Agenturen werden Details zeitgerecht und kontinuierlich „gestreut“. Natürlich: Manches fällt auf Stein, anderes ins Gestrüpp und wieder anderes findet fruchtbaren Boden, das Papier, einen Tonträger oder die Kamera. Dieses Spiel wird jetzt in den nächsten Wochen so weitergehen und die Fastenzeit 2013 wird als Papst-Such-Zeit in die Geschichte eingehen.

Die Körpersprache des Geschehens stabilisiert

Die PresseWer sich ein Stück Überblick bewahren möchte, liest und schaut die eine oder andere Zeitung durch. Die einen formulieren recht andächtig und voller Anstand die Verdienste dieses Pontifikats. Die anderen lesen aus diesen verlorenen Jahren den Auftrag für den nächsten Papst heraus. Für die eher konservativ Orientierten bricht ohnehin ein neues Zeitalter der Kirche und Evangelisation an. Sie treffen damit den heute gängigen „Retro-Trend“ und basteln am spirituellen Trachtenanzug bzw. Dirndlkleid. Konservativ steht uns heute gut an. Das, was war, wird uns in die Zukunft tragen. Die eher charismatisch Orientierten sehen im konservativen Rahmen genau den Freiraum, den sie zur gehorsamen Verwirklichung des Evangeliums brauchen. Die weitaus größte Mehrheit der KatholikInnen ist einer sozial liberalen Orientierung zuzuordnen. Sie empfinden die Körpersprache dieses Papstkultes als Machtinszenierung und rechnen schon längst, dass sich Kirche in neuer Sozialgestalt und in seiner tiefen Sozialdimension darstellt. Der Ausgangspunkt allen Handelns ist dieser konkrete Mensch heute, eingepfercht in die allgegenwärtige Monetarisierung und geführt an einer recht kurzen digitalen Leine. Die allgegenwärtigen Bilder der Werbung erzeugen im Menschen ein unglaubliches Sehnsuchtsgefühl und er darf nie bei sich ankommen. Er wird dramatisch heftig in die Welt des Immer-Mehr herangeführt, sodass er keine Lust und Freude am Jetzt entwickeln kann. So verfestigt sich in jedem Menschen die rastlose Ich-Bezogenheit gepaart mit einem Selbstdarstellungsimperativ. Genau in dieser Maschinerie läuft der Vatikan. Das Ziel ist Bescheidenheit, der selbstlose Dienst und spirituelle Tiefe. In der Körpersprache kommt eine protzige Monarchie, angezuckert mit Macht herüber („Während der Sedisvakanz übernehmen die Kardinäle die Macht“ – Die Presse)  und dargestellt in vielen Äußerlichkeiten. Insofern geht die Amtskirche derzeit stromlinienförmig und parallel zur Eliten-Welt einher. Genau das stabilisiert das Bestehende. Es wird sich nichts ändern. Oben. Sie werden wie Felix Neureuther bei der WM in Schladming den Widerspruch leben: „Ich habe mich gezwungen, locker zu bleiben.“ Dass das alles stattfindet, wo Stèphane Hessel (1917-2013) diese irdische Welt verlassen hat, ist Zufall, fällt uns zu. „Empört euch“ und „Engagiert euch“ wurde millionenfach gelesen.