Das Klima wehrt sich nicht

Klimapilger

2015 als Klimapilger von Wien nach Salzburg

In diesen Tagen muss ich oft an unser Klimapilgern von Wien nach Salzburg im Jahre 2015 denken. So viel Inspiration, so viele praktizierte Alternativen und so viele Menschen, die schon eingetreten sind in der Veränderung hin zu einem sozial-ökologisch-spirituellen Handeln im Alltag. Papst Franziskus am 4. Okt 2021 wörtlich: „Die COP26 in Glasgow ist dringend aufgerufen, wirksame Antworten auf die beispiellose ökologische Krise und die Wertekrise, die wir erleben, zu finden und damit den künftigen Generationen konkrete Hoffnung zu geben: Wir wollen sie mit unserem Engagement und unserer spirituellen Nähe begleiten.“

In vielen Begegnungen mit Menschen spüre ich immer noch die Distanz zum „Klima“. Menschen reden hier wie von einem Objekt, das ihnen gegenüber steht. Wenn sie das Wort „Klimawandel“ hören, dann ängstigen sie sich mehr über den Wald, das Meer oder die Luft, „die Natur“ als unser Gegenüber. „Das Klima wehrt sich leider nicht“, hat dieser Tage eine recht Naturverbundene gemeint. Da musste ich zustimmend nicken. Das Klima verändert sich, die Veränderungen zeigen sich durch „laute katastrophale Umstände wie Hochwasser oder Trockenheit“ oder zeigen sich auch nicht, weil wir noch kein Gespür dafür haben, in der „feinstofflichen Atmosphäre des Lebens“ zu lesen. In jedem Fall machen Verantwortliche den Eindruck als ob sie das alles im Griff hätten, die technologischen Antworten schon in Entwicklung sind und das Leben weitergehen kann wie bisher. Der kleine Unterschied wird propagiert: „Fossil“ wird „Elektrisch“. Eine neue Art von „Raubbau“ an dieser Erdkugel geht weiter, flankiert von Sklavenarbeit in der Rohstoffbeschaffung und einer subtilen Bereicherung von Wenigen auf Kosten der Vielen.  Wer das Buch von Fabian Scheidler „Die Megamaschiene“ (2016) gelesen hat, weiß von der ungerechten, unfairen Grundkonstruktion unserer gängigen neoliberalen, kapitalistischen „Weltordnung“, die eigentlich mehr Unordnung schafft (Ausbeutung, Kriege, Waffenhandel, Menschenhandel, Konflikte schüren), „weil damit mehr Geld zu machen ist“.

Und doch!

Der ungeschminkte Blick auf die je eigene Situation, die uns umgebende Welt und „das gemeinsame Haus“ auf dieser Weltkugel kann uns wachrütteln. Der Blick hinter die Kulissen macht uns klar, welches Spiel hier gespielt und welche Fäden gezogen werden, damit der Mammon läuft. Die menschenunwürdigste Antwort auf diese „Bedrängnis“ wäre, „da kann man eh nichts machen“. Schon Ghandi hat diese „bequeme Passivität“ angebrangert. Jede und jeder steht in der Verantwortung, in der persönlichen Verantwortung. Wer hier genauer hinschaut, wahrnimmt, wird feststellen, dass es eine feine und allgegenwärtige Veränderung, eine leise Transformation gibt, die eines begriffen hat: Mit jedem Atemzug, mit jedem Schritt, mit jedem Tun sind wir mit unserer menschlichen, tierischen, pflanzlichen und mikrobiellen Mitwelt bis hin zum ganzen Universum existenziell verbunden, verknüpft. Wir sind nicht herausgehoben aus der Natur, sondern Teil der Natur. Dieses ‚Alles ist mit allem verbunden‘ und die damit einhergehende Verantwortung wiederzuentdecken ist ein wesentlicher Teil des tiefen und breiten gesellschaftlichen Wandels. Und genau diesen Wandel, diese Transformation werden wir ganz nötig brauchen, um der fortschreitenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu entgehen. Möge COP26 in Glasgow genau diesen Prozess anstoßen, ungebremst weitergehen lassen und politisch dafür den „sozial-ökologisch-spirituellen Rahmen“ setzen im Sinne eines gemeinsamen, fairen und gerechten Hauses.

Viele kleine Schritte

Das österreichweite Klimaticket habe ich bestellt. Meine Jahreskarte für den OÖVV-Bus vom Bergdorf nach Linz (16 km) zum Preis von 586.- EUR ersetze ich durch ein Ticket um 949.- EUR für GANZ Österreich. Eine winzige Strecke auf der Landkarte ersetze ich durch ein unglaublich dichtes Netz von Öffis. Warum das nicht mehr Leute sehen, was sie damit an Lebensqualität gewinnen, kann ich nicht ganz verstehen. „Das Auto“ wird als unabkömmlich dargestellt, die Kosten werden verschwiegen. In der letzten Ausgabe der Gemendenachrichten im Bergdorf beispielsweise nicht eine Zeile zum Klimaticket. Nehmen wir das Palmöl in den verschiedensten Varianten. Mittlerweile wissen wir, dass großflächig dafür gerodet wurde, die Agro-Konzerne den Bauern – beispielsweise in Kamerun – die Flächen weggenommen haben und jetzt mit dem Schmäh „Bio-Palmöl“ hantieren. Da wird etwas vertuscht vom menschengemachten ökologischen Desaster und unsere Gewissen werden mit „wunderschönen Marketing-Geschichten“ beruhigt. Konkret folgt daraus: Hinschauen, woher die Dinge kommen und nicht mehr kaufen. Es gibt so wunderbare, vielfältige und saisonale Lebensmittel in unmittelbarer Nähe. Und genau hier wären diese vielen kleinen Schritte aufzulisten, die jede und jeder „gehen“ könnte, um seinen eigenen Quadratmeter, auf dem wir gerade stehen, „ökologisch und sozial sauber zu halten“. Natürlich sollten wir auch diese unglaubliche penetrante Grunddynamik unserer Gesellschaft nach immer Mehr, hin zur Verdinglichung und alles dem Geld unterzuordnen widerstehen. Mir hilft dabei diese unglaublich schöne und feine Haltung der „glücklichen Genügsamkeit“. Das Leben liegt im materiellen Weniger und viel mehr im inneren persönlichen Wachstum, den wertvollen, absichtslosen Beziehungen mit konkreten Menschen.