Der Schlüssel scheint von innen abgezogen

parolin„Zölibat ist kein Dogma“ titeln viel Zeitungen und Medien am heutigen Tag. Die kirchliche Reaktion auf Bischofsebene (Wien, St. Pölten, Eisenstadt)  heute ist in der Kathpress nachzulesen. Ich höre: Nichts Neues. Aus meiner Sicht habe viele der „Benedikt-Bischöfe“ noch immer nicht im Blick, was das Neue an diesem Pontifikat von Papst Franziskus und seiner ersten großen Ernennung Parolin als Staatssekretär ist. Bisher waren alle offenen Gespräche zur wirklichen ungeschminkt dargestellten Lage der Kirche in den Ländern und Kontinenten nicht erwünscht. Die Zölibatsfrage war verpönt. Siehe Schüller. Die Türen waren verschlossen und von innen haben sie den Schlüssel stecken lassen. Alle Aufsperrversuche, die von außen probiert wurden, haben sich im steckenden Schlüssel von innen erschöpft. Und jetzt. Schon Papst Franziskus selbst hält sich mehr vor der verschlossen Tür auf als dahinter. Und Pietro Parolin scheint jetzt endgültig den Schlüssel von innen abgezogen zu haben. Es darf und soll offen gesprochen werden. Was kein Dogma ist, kann und soll zum Wohle der Menschen und der Kirche angesprochen und hoffentlich verändert werden. Das ist neu. Da soll sich keiner der Bischöfe und Bischofsprecher hinstellen und den „Coolen“ geben. Nichts Neues.

Lange erwartet 

Persönlich kann ich mich noch sehr gut erinnern an die Stimmung damals 1975,  als ich als Getaufter („Laie“)  in Innsbruck das Theologiestudium begonnen habe: Die Aufhebung des Pflichtzölibats braucht der Papst nur noch unterschreiben. Als Pastoralassistent habe ich erlebt, dass diese Berufung im Endeffekt priesterlich ist. Theologisch war mir der Unterschied klar, aber praktisch habe ich das von den Leuten her so gespürt. Auch Bischof Aichern hat – wie ich schon oft erzählt habe – den damaligen Domkaplan Franz Wild und mich vor dem Linzer Dom mit „meine zwei Domkapläne“  angesprochen. Viele Zeichen haben auf eine Öffnung hingedeutet. Bischof Aichern hat diese Offenheit immer verteidigt und bis zum Schluss seiner Amtszeit nicht schließen lassen. In Rom hat man allerdings von innen fest zugesperrt und den Schlüssel gegen solche Diskussionen stecken lassen. Mit jedem päpstlichen Dokument wurde der Pflichtzölibat verteidigt und ein Bischof nach dem anderen musste öffentlich dafür Stellung nehmen. Man hatte fast den Eindruck, der Textbaustein wurde allen Bischöfen mit Nachdruck ans Herz gelegt. Das war auch so. In einem Interview wurde Bischof Schwarz auf das Priesteramt der Frau angesprochen. Ich wollte ihm – wie bis dahin üblich – raten, das Problem nach Rom zu legen in der Art: Das muss Rom entscheiden. Er selber hat mich forsch „aufgeklärt“, dass das auch Rom nicht ändern kann. Ich sage zu ihm: Herr Bischof, denken wir 500 Jahre weiter. Er ganz fest und bestimmt: Ein für alle Mal ist das geklärt.  Stille.

Zu spät dran?

Heute denke ich, dass sich für diese Fragen das Umfeld im Vatikan verändert. Was ein Bischof nur im Stand eines emeritierten Bischofs zu sagen wagte („Zölibat ist kein Dogma“), das höre ich gestern von oberster Stelle im Vatikan. Meine Hoffnung ist: Hoffentlich kommen diese Signale nicht zu spät. Ich denke an Südamerika, Afrika und andere Kontinente, wo freikirchliche organisierte Christen die katholischen Pfarren längst überflügelt haben. Ich denke an unsere Pfarren, die wie in Wien wegen des Priestermangels (und auch Christenmangels) zusammengelegt werden. Die katholische Kirche ganz oben hat vielleicht verstanden: Wir brauchen Menschen zu Menschen, Frauen und Männer. Wir brauchen den priesterlichen Dienst – ob verheiratet oder zölibatär. Aber vielleicht suchen junge Menschen bei uns in Österreich, Europa diese „Kirche“ gar nicht mehr.