Wenn der Durchmesser von einem Busreifen (Busfahrer: „Circa 90“) fast einen Meter ist, dann ist die Umlauffläche etwa 3 Meter. Eine Reifenumdrehung bringt mich meinem Ziel Oberkappel drei Meter näher. Große vier Schritte bräuchte ich, um mit dem Reifen mithalten zu können. Aber ich sitze im Öffi-Bus, genieße die Anreise zum Startpunkt des „Mühlviertler Mittellandweg 150“ und schaue einfach aus dem Fenster. Mein jugendlicher Chauffeur fährt mich und uns. Gehen kommt dann.
Zwei Volksschulmädchen steigen in Kollerschlag zu. Beide tragen vorbildlich die Maske, durch die das „Schnattern und Kichern“ gut zu hören ist. Sie setzen sich in dieselber Sitzreihe wie ich. Sie lassen sich nicht stören. Das finde ich einfach spitze, dass sie einfach weitermachen in ihrer Welt. Wir kommen an einer riesigen Baustelle vorbei. Meine Neugierde fragt: „Was wird da gebaut?“ Die Mädchen unisono: „Das wird ein riesiges Hotel zum Urlaub machen.“ „Danke.“ Ja, schön ist es hier, die Gegend, der Wald, die Wiesen, der bewölkte Himmel. Die Baustelle gigantisch. Mein Rucksack sitzt neben mir, eingepackt für etwa sechs Tage. Eigentlich ist es egal, wie lange man geht. Das macht kaum einen Unterschied, ob drei oder einundzwanzig Tage lang. Geh-Gewand und Bleibe-Gewand und alles andere, davon möglichst wenig, aber doch das Nötige.
In Gott’s Nam, gemma
„Nächste Haltestelle Oberkappel Ortsmitte“. Ich rüste mich zum Aussteigen, schultere den Rucksack. Mein Blick geht aus dem Fenster, es geht aufwärts, links das Gemeindeamt, rechts das Geschäft und die Kirche. Der Bus führt weiter, hinunter. Erst unten an der Ranna vor der Brücke bleibt er stehen. „Ortsmitte“ steht zwar auf der Haltestelle, stimmt aber nicht. Aus meiner Sicht. Aber lassen wir es gut sein. Ich bedanke mich bei meinem Chauffeur, steige hinunter und betrachte den Reifen meines Busses. Etwa 90 im Durchmesser und drei Meter mit einer Umdrehung. Ich stehe da, die Kirche oben, die Ortsmitte oben. Oberkappel hat eine schillernde Tonalität, die nur kirchenaffine Menschen hören können. Alleine stehe ich da, wo jetzt 21 Frauen und Männer aussteigen sollten. #Weltanschauen hat zum Gehen am Mühlviertler Mittellandweg eingeladen. Welt der Frauen hat davon erzählt. Covid19 hat die Gruppe abgesagt. Mir fehlt das Gehen, das Weitgehen. So stehe ich alleine da, um dem Weg die Ehre zu erweisen und meiner Seele Luft und Bewegung zu geben. „In Gott’s Nam, gemma“, sage ich halblaut zu mir. Schaue mich um. Nur das Wasser fließt etwas schnurrend neben mir. Hinauf zur Ortsmitte, den Startpunkt für den „150er“ suchen. Niemand schaut mir zu. Kein Anfeuern, niemand wartet auf meine Fragen. Das Auge, das Ohr, das Riechen einschalten und das Dorf wahrnehmen. Ein wenig abwärts und dann gut aufwärts. Der letzte Blick zurück auf Oberkappel. Genau in diesem Moment fährt mein Bus unten auf der Straße von Neustift kommend wieder zurück nach Rohrbach, Urfahr und das Bergdorf, wo ich herkomme. Vier Schritte eine Umdrehung. Es geht auf den Ameisberg (941m). Schritt für Schritt, zuletzt im Schnee. Nach viereinhalb Stunden bin ich „drüben“ in Lembach mit der Bestätigung im Kopf und in den Füssen: Der Weg durch das Mittelland und die Ausblicke sind einfach sehr fein. Und Lembach gibt dem streunenden „Local Detective“ einen Kopfpolster.