Die christliche Botschaft ist grundlegend gewaltfrei

„An der Wurzel jeder Weltreligion findet man diese unbedingte Achtung vor jeder einzelnen Person als Geschöpf Gottes. Gott ist in jedem Menschen gegenwärtig und das begründet diese tiefe Haltung der aktiven Gewaltfreiheit“, führt die 82-jährige Hildegard Goss-Mayr mit  klarer Stimme im übervollen Pfarrsaal von St. Radegund am 9. August 2012 aus. Auf Einladung von Pax Christi und der Pfarre kommen Menschen aus der unmittelbaren Umgebung, aus ganz Österreich, der Schweiz, Italien, Deutschland und den USA sind zum Gedenktag der Hinrichtung des Seligen Franz Jägerstätter. Der jährliche Gedenktag wird begonnen mit einer Vesper in St. Radegund am Vorabend, einem Impuls in St. Radegund, der Wallfahrt am Fußweg hinüber nach St. Radegund vorbei am Geburtshaus und am neuen Denkmal. Um 16 Uhr zur Todesstunde wird in der Kirche eine berührende Andacht gehalten. Bevor am Abend die Messe gefeiert wird und die Lichterprozession zum Grab stattfindet, gibt es Zeit zum Austausch. Ein Tag, der viel „Seelennahrung“ und tiefe Orientierung bietet. Ein Tag an den Wurzeln des Lebens, heuter inspiriert durch das Zeugnis von Jean Goss und eben Franz Jägerstätter.

Die Befreiung von der Angst

Hildegard Goss-Mayr erzählt über das bewegende Leben ihres Ehemannes, wie er im zweiten Weltkrieg gekämpft hat, Auszeichnungen bekam und in einer tiefen Erkenntnis zur Haltung der Achtung, Liebe und Gewaltfreiheit kam. Das hat er dann international in vielen Seminaren an den Gewalt-Brennpunkten der Weltpolitik weitergeben: Afrika, Südamerika, Philippinen, Libanon – um nur einige zu nennen. Ich selber durfte beide erstmals bei einem Seminar im Rahmen der KSÖ Anfang der 80-er Jahre erleben. Bis heute beeindruckend. In den Seminaren ging es immer um „die Befreiung von der Angst und die Öffnung für die wahren Werte des Evangeliums und der Gewaltfreiheit“. Hildegard sprach über die „Haltung und die Kraft der Gewaltfreiheit“. Sie meint mit Blick auf Jean und Franz: „Beide haben die Furcht vor dem Tod überwunden und die wahre Freiheit zum unerschrockenen Zeugnis gefunden.“ Auch in den anderen Weltreligionen ist diese Gewaltfreiheit in der Wurzel Grund gelegt, wenn sie meint: „Der große Dschihad im Islam ist der Kampf gegen die Ungerechtigkeit in mir und die meisten Muslime trachten nach Barmherzigkeit.“ Sie und ihr Mann stellten immer wieder fest, „dass viele Christen die Wurzel der Gewaltfreiheit in ihrer Religion nicht kennen“.

Gewaltfreiheit wieder in die Kirche „implantieren“

Beeindruckend an ihrem Vortrag war auch, wie ihr Mann und sie im Vorfeld und während des Vatikanum II für diese tiefe Haltung der Gewaltfreiheit „Lobbying“ gemacht haben. Sie haben ganz konsequent auf verschiedensten Ebenen ihre Eingaben vorgebracht, dass erstens der moderne Krieg und die ABC-Waffen eindeutig von der Kirche verurteilt werden, dass zweitens das Recht auf Wehrdienstverweigerung und auf gewissensbedingten Ungehorsam anerkannt wird und drittens die Leitlinien Jesu zur unbedingten Gewaltfreiheit vollinhaltlich von der Kirche anerkannt werden. „Die Kirche Roms war in manchen Punkten noch nicht so weit, aber diese Gedanken und Haltungen haben im Volk Fuß gefasst und haben schließlich zu Umstürzen von Diktaturen (zB Philippinen) geführt“, weiß Hildegard aus eigener erlebter Erfahrung: „Es war immer ein Samen säen für den Frieden.“  Beide haben sich immer als furchtlose Friedensstifter über die Kontinente gesehen.

Was Jean Goss und Franz Jägerstätter „verband“

Hildegard führte einige „Flächen“ an, die beide Friedensstifter verbanden. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich hier einfach das anführen, was ich „mitgehört und mitgenommen“ habe. Jede und jeder hat die Möglichkeit, das zu kontrollieren. Beide waren auf der Suche aus einem inneren Kern heraus, der sich ganz am Evangelium und der Haltung Jesu zur Gewaltfreiheit orientierte.

  • Beide haben die Erfahrung der Armut und Entbehrung gemacht.
  • Beide haben die Sprache des Volkes gesprochen (Gewerkschafter, Bauer).
  • Beide waren Mystiker und haben Ungerechtigkeiten auf ihre Gewissen bezogen.
  • Beide haben tiefe Momente der Einsamkeit erlebt und die Angst davor abgelegt.
  • Beide waren in einer tiefen Beziehung gehalten (Hildegard, Franziska).

Der ganze Vortrag von Hildegard und die Predigt von Bischof Manfred Scheuer mit einigen Fotos stehen hier zur Verfügung. Danke Martin Pilgram.

Die Kathpress hat über den Tag so „getitelt“:
Lebenszeugnis Jägerstätters floss in Konzilslehre ein

 

1 Kommentar

    • Gerhard Lehrner auf 11. August 2012 bei 10:25

    Danke dir Ferdinand für die schnelle,gute Zusamenfassung dieses Gedenktages.
    Lieben Gruß Gerhard L.

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