Die Welt denken und geben

Aichern und Dammers„Die Welt ist das, was wir von ihr denken“ lautet die Headline über dem Interview mit dem Filmemacher Götz Spielmann in der Presse am Sonntag vom 23. Juni 2013. Das ganze Interview folgt dem Thema „Berufung“. Letzten Donnerstag war ich bei der Uraufführung des Stückes „Jägerstätter“ im Theater in der Josefstadt. Es hat mich bewegt, wie Felix Mitterer, den ich an diesem Abend auch persönlich kennen lernen durfte, die tiefe Sicht Jägerstätters auf die damalige Welt gezeigt hat. Jene Theaterkritiken, die ich gelesen habe, waren voll des Lobes über dieses Stück und die Aufführung. Jetzt geht das Stück auf „Sommerfrische“ nach Stadt Haag. Der Geschäftsführer des „Theatersommer Haag“ , den ich ebenfalls an diesem Tag gesprochen habe, war froh, dass schon 9.000 Karten unter den Leuten sind. Ich selber sehe das Stück nochmals in Haag und freue mich sehr, auch in dieser Umgebung und mit der ganzen Familie nochmals einzutauchen in eine tiefe und anrührende Lebensgeschichte und die damit verbundene Weltsicht. Das Stück rührt sehr behutsam an meinem Gewissen und an der Frage nach meiner persönlichen Berufung. Wenn ich heute an der Abtweihe von Reinhold Dessl in Wilhering teilnehme, wird in mir das ganz tief mitschwingen.

Sie macht mir Freude, manchmal Spaß

Theater in der JosefstadtDie letzte Seite der Presse am Sonntag hat ein Kästchen mit der Frage: „Herr Spielmann, darf man Sie auch fragen . . .“ Dort beantwortet der im Interview Befragte noch die allerletzten Fragen, die wir sonst im Alltag vielleicht zwischen Tür und Angel ansprechen. Es sind oft die wichtigsten und drängensten Fragen. Die erste Frage geht zum Beurteilen und ich erinnere mich an die Einladung gestern, wo auch zwei Lehrerinnen dabei waren und jetzt in der Schulschlusszeit mit Noten herumquälen und damit so ihre Schwierigkeiten haben. „1 . . . ob Sie schnell sind im Beurteilen? Nein. Ich halte den Zwang, ständig beurteilen zu müssen, für einen Defekt. Und es ist in den allermeisten Fällen völlig unnötig. Die Wurzel liegt in der Vergötzung des Intellekts. Jemand, der daran arbeitet, sein Ego zu verkleinern, wird notgedrungen weniger urteilen.“ Ich appelliere an alle Ranking-ExpertInnen: Schaut eure Welt an und gebt es offen zu: Es geht immer um euer Ego. Eine Studie jagt die andere, ein Ranking und Umfrage die nächste, die Prozentzahlen werden als schlagend verkauft. Es geht um die äußere Darstellung des Ego und nicht um die tiefe Berufung, die in jedem Menschen liegt. Weiter: „2 . . . ob Ihnen Ihre Lehrtätigkeit an der Wiener Filmakademie Spaß macht? Sie macht mir Freude, manchmal Spaß. Ich habe das Gefühl, etwas geben zu können. Das ist ja der eigentliche Sinn der Arbeit. Das hat unsere Gesellschaft vergessen, dass es bei dem, was wir tun, viel mehr darauf ankommt, was man gibt, nicht was man dafür bekommt. Das sage ich nicht aus einem strengen Idealismus heraus. Geben ist einfach das bessere Leben.“

Der Götze Ökonomie macht geisteskrank

Spielmann verwendet im Interview zur Vergötzung der Ökonomie noch ein sehr eindringliches Bild: „Wirtschaftsfragen werden zunehmend als das einzig Relevante propagiert. Sie dominieren alles. Es ist, als würde man die Verdauung zum Sinn und Zweck des Lebens erklären! Ich denke hier an Banken, Konzerne, Teile der Politik, die jede Verelendung und Zerstörung in Kauf nehmen, nur um den Profit einer immer kleiner werdenden Schicht zu erhöhen. Diese Vergötterung des sogenannten freien Marktes. Eine Gesellschaft, die Wirtschaft über alles stellt, ist geisteskrank. Das sage ich mit Bedacht und das meine ich auch wirklich wörtlich.“ Und ich bin wieder bei der Uraufführung von Jägerstätter. Es bleibt die bohrende Frage und sie wir immer kräftiger genährt: Was heißt Jägerstätter heute, in dieser Gesellschaft und als Christ?