Die Welt hat Fieber: 37,8 Grad

Kerstin schreibt heute in aller Frühe auf FB: „37,8 Grad gestern und die Nacht auf heute war die wärmste in der Geschichte Österreichs.“ Ich habe ihr spontan dazugepostet: „Oh, das schaut nach Fieber aus.“ Was ich ein wenig humorvoll mit einer Brise Morgenfrische losgelassen habe, hat mich jetzt tagsüber nicht losgelassen. Es tauchten immer wieder Assoziationen zu diesem Bild vom Fieber auf.

40,2 statt 42

999_IMG_9531Als Kind hat ich auch einmal starkes Fieber. Wir hatten Besuch von allen Onkeln und Tanten. Sie sind am großen Tisch in der Stube gesessen und sie haben geplaudert, diskutiert, gelacht. Ich bin am Sofa unter einer großen Tuchent gelegen. Ich war krank, ich hatte Fieber. Dann kam meine Großmutter mit dem Thermometer. Als Kind habe ich schon verstanden, dass 42 Grad das Ende der Fahnenstange ist. Von meiner Mutter habe ich da einmal gehört: 42 Grad ist sehr gefährlich. Ich habe den „Fiebermesser“ brav in der Achselhöhle gehalten. Es war Quecksilber und es gab noch keinen Entwarnungston. Lange haben sie gewartet bis meine Großmutter wieder gekommen ist. Sie hat ihn genommen, vor ihre Augen gehalten und gemeint: 40,2. Die Onkel und Tanten sind am Schlag ruhig geworden, fast aufgesprungen, dass ich erschrocken bin. Eine Tante rief fragend in unsere Richtung: „42?“ Meine Oma dann: Nein, 40,2. Da haben sie sich wieder niedergesetzt und doch besorgt über mein Fieber gesprochen. Es war nicht lebensbedrohlich, aber doch „nicht ganz ungefährlich“. Diese Begebenheit fällt mir ein, wenn ich an das auftretende Fieber auf unserer Weltkugel derzeit in Österreich gemessen denke.

Wie geht Reduktion? Die Qualität der Einfachheit

Ringstrasse in Wien

Ringstrasse in Wien

Das Gespräch, das ich Anfang Juli mit „der“ Klimaspezialistin Dr. Helga Kromp-Kolb vom „Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit“ in Wien geführt habe, hat verschiedene Aspekte angesprochen. Es ging immer um das konkrete und mögliche Tun der Menschen. Helga Kromp-Kolb sieht drei wichtige Bereiche: „Wir müssen heute neu über Werte reden. Was ist uns wichtig? Worauf kommt es an? Was brauche ich wirklich?“ Dann: „Was bedeutet der Klimawandel woanders, auf der anderen Seite der Welt?“ Der Umbau der Weltwirtschaft mit der Reduktion der fossilen Brennstoffe wie Erdöl und Kohle auf Null ist ein Muss. Ja, auf Null. Das heißt für uns konkret: „Einfacher leben.“ Schon lange trage ich die Kernfrage für unsere Tage mit: Wie geht Reduktion? Ich habe sie schon gelegen und ungelegen gestellt. Im politischen und wirtschafllichen Umfeld eher (nur) Kopfschütteln: „Wir brauchen Wachstum.“ Kromp-Kolb bejaht die Kernfrage nach Reduktion ganz vehement: „Wenn wir uns vor der Umgewöhnung scheuen, wird sich nichts ändern. Der Anfang ist immer schwierig. Erst langsam wird die Qualität der Einfachheit sichtbar und spürbar. Man sieht, dass heute viele Leute aussteigen. Die Fülle, die einem heute durch Werbung nahegelegt wird, ist nicht  mehr menschengerecht.“ Die Welt hat Fieber. Zu viele Fremdkörper sind in ihrem Organismus. Sie erhöht die Temperatur. Der Mensch nimmt dann meist kurzsichtig Antibiotika oder Klimaanlagen. Das Fieber wird gesenkt und indirekt die Verurscher, die Fremdkörper nicht bekämpft. „Das haben wir gleich“, sagt die Ärztin mit dem Antibiotikum in der Hand. „Es ist ja gar nicht so warm“, sagt die Klimaanlage, die ihren Strom aus dem AKW bezieht. Alles nicht so schlimm. Alles gar nicht so heiß. Manche meinen: „Die Welt hat bloß ein bisserl Temperatur.“