Wir stehen mit einem Kaffeehäferl in der Hand, die Sonne oben, ein feines warmes Lüfterl, am Fusse des „Pettenfirst“. Ungenach war unser Ausgangsdorf. Die eintägige Geh-Klausur des Pfarrgemeinderates darf ich begleiten. Der erste warme Tag, die Blüten explodieren, die Wiesen vielfältig grün und immer wieder vor uns die weißen Berge der Alpenkette. Wir machen dort Rast, wo der Kohleabbau beendet wurde, aber sehr sichtbar geblieben ist (siehe Foto). Die Kohle liegt an dieser Stelle offen am Tageslicht. Wir sind im Gespräch über die Zeit hier, damals und über die Zeit heute. „d’Sunbeng ist ganz verschwunden“, meinte Peter.
Der Mensch lebt nach Werten, nach seinen und gemeinsamen „Prioritäten“. Der Mensch braucht Rituale, Zeiten und Handlungen, die ihn aus dem „Produktions-Modus“ herausnehmen. Der Mensch braucht vor allem Zugehörigkeit, ein verbundenes Dabei-Sein, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Rund um den Bergbau hat sich das alles entwickelt, wurde gemeinschaftlich angelegt. Jede und jeder einzelne war wichtig in der größeren Gemeinschaft der Bergarbeiter und allem, was dazugehörte, getragen von einer Solidarität, die alle meinte und vor allem die Schwächsten mitnahm. Rituale, Lebenskultur wurden gepflegt und haben die Menschen „zusammengebracht“. Alles hatte seine Zeit und vor allem das „Gemeinsame“ einen vorrangigen Platz. „Nicht zuerst ich, sondern wir“, war die innere Molodie. Eine Gemeinschaft ohne viel Kommunkation war spürbar, erlebbar, hat getragen. Eine schier überbordende digitale Kommunikation erleben wir heute ohne wirklich tragende Gemeinschaft. Der einzelne Mensch kreist trotz „vielfältigster Kommunikatiosmittel“ um sich selbst, lässt sich nur vom Gerät dauernd stören, schafft sich damit seine „abgeschlossene Privatheit“. Wir sprechen über die neuen Einfamilienhäuser, die schon so geplant werden, dass sie sich in sich abschließen. Die Straße ist kaum mehr ein Platz für Menschen, sondern fast ausschließlich für Autos. Zumindest am Land. Aber defacto mit rühmlichen Ausnahmen auch in der Stadt. Und wer mit dem Auto fährt, bleibt daheim, kreist wieder nur um sich.
Unproduktiv und gereizt
Das war allerdings einmal anders, auch bei uns. Wir erzählen einander von anderen Ländern, wo „d’Sunbeng“ (eine „Bank in der Sonne“ auf der Straßenseite der Häuser, zumindest auf der Außenseite, dorthin, wo die anderen Menschen unterwegs waren, wo man sich nach Feierabend oder zwischendurch getroffen, erzählt, gescherzt und manchmal auch gesungen hat) eine zentrale Rolle im gemeinschaftlichen Leben spielt. Selber gesehen habe ich das in Rumänien am Marienweg. Abends haben die Menschen dort Platz genommen, die Kinder im Umfeld. Auch aus Afrika oder Südamerika wurde erzählt. „Gib einem Menschen ein Handy in die Hand und er oder sie ist geschlossen. Woanders. Nicht hier.“ Man liegt am Pool und schaut in diese Geräte hinein, in die vermeintlich weite Welt hinaus. Die nächste Mitwelt entschwindet von innen gesehen hinter dem Gartenzaun. Wenn ich diese Zeilen schreibe, sitze ich am Bankerl vor dem Haus. Daneben Schule und Kindergarten, am Spielplatz quietscht die Schaukel, Autos holen die letzten Kinder. Ich genieße es beispielswese, ein „Guten Morgen“ Richtung Straße zu schicken. Immer kommt eine Antwort, ein Lächeln, eine Reaktion. Manchmal plaudern wir auch. Mit vielen geht das nicht, weil sie im Auto sitzen. In der Liturgie sprechen wir vom „darstellenden Handeln“ im Gegensatz zum „herstellenden“.
Da wird sich wieder etwas entwickeln
Der gesellschaftlich-aufgedrängte Produktionsmodus treibt an, beschleunigt, lässt beiläufige Gespräche als unproduktiv erscheinen, versetzt Menschen in eine Gereiztheit, hetzt sie wie ein Hund ein Reh, nicht im Jetzt zu sein. „d’Sunbeng“ ist das Sakrament des Jetzt und Hier, im Ein- und Ausatmen, der Geöffnetheit auf das Du und das Verbindende, das Vorbeikommende, die Vorbeikommenden. Im Gespräch bei unserer Geh-Klausur sind wir uns nicht sicher, ob diese Bänke in der einfach wärmenden Sonne und der verbindenden Gemeinschaft wieder eine Chance bekommen könnten. Dort und da blitzen sie im öffentlichen Raum wieder auf. Aber noch viel öfter bleiben sie in den Dörfern alleine, diese Bänke. Eine sehr laute Grundmelodie wird heute den Menschen eindringlich „vom Wir zum Ich“ vorgesungen. Und genau jetzt vor Pfingsten denke ich: Pfingsten geht genau anders rum, vom Ich zum Wir. Das Kaffeehäferl ist leer, der wunderbare Kuchen gegessen, wir gehen weiter, tauschen uns aus und sehen, dass es dort und da noch Bänke gibt, die an den Wegen der Menschen stehen. Da kann sich, da soll sich, da wird sich wieder etwas entwickeln, meinen wir.