„In einem Leben, das nicht mehr dem Diktat von Arbeitshetze und Geldsorgen unterliegt, hätte man mehr Zeit für gegenseitige Hilfe und Aktivitäten, die nicht unter dem Stern des Konsumismus stehen“, lese ich auf Seite 198 im Buch von Kohei Saito mit dem Titel „Systemsturz“.
„Sport, wandern oder im Park die Natur genießen, Gitarre spielen, Bilder malen oder lesen. Man könnte ein schönes Essen für Freunde und Familie zubereiten und dabei nach Herzenslust plaudern. Auch für freiwillige Tätigkeiten oder politischen Aktionismus stünde endlich mehr Spielraum zur Verfügung. Was zurückginge, wäre also die durch fossile Brennstoffe produzierte Energie, zunehmen aber würde soziale und kulturelle Energie. Es wäre ein Leben, das weitaus mehr Wohlstand zu bieten hätte als eines, in dem man sich Tag für Tag im überfüllten Zug zum Arbeitsplatz quält, nur um dort vor den Bildschirm sitzen hastig ein paar Instantnudeln in sich reinzuschaufenln und abends todmüde heimzukommen.“ Der Autor lebt in Japan. „Den Stress bräuchte man dann auch nicht mehr mit Online-Shopping und Alkohol zu bekämpfen. Und hätte man einmal mehr Zeit, selbst zu kochen und Sport zu machen, wäre das auch zweifellos besser für die eigene Gesundheit.“ Hier macht Saito einen Absatz. Auch wir atmen durch. Wohin geht die Reise? – ist immer wieder die Frage.
„Wir verlangen nach den Segnungen des Wirtschaftswachstums und arbeiten dafür hart, was dem Kapital natürlich sehr gelegen kommt. Doch im Rahmen des Kapitalismus, dessen Essenz die Knappheit ist, ist es unmöglich, dass alle zu Wohlstand kommen, egal wie sehr man das auch versucht.“ Saito stellt in diese Dynamik hinein eine Stopptafel. „Stoppen wir so ein System und ersetzen es mit Degrowth.“ Und jetzt rate ich allen, sich anzuhalten, denn es kommt ein Wort, das heute als gefährlich dargestellt wird. „Der Weg dorthin für über den Degrowth-Kommunismus, der uns radikalen Überfluß bringt. Wir wären dann nicht mehr von Wirtschafswachstum abhängig, sondern könnten ein Leben mit mehr Wohlstand und mehr Stabilität führen.“ An anderer Stelle schreibt er von Commons, von gemeinsamen und demokratisch gestalteten „Gütern“. Dort sind wir noch nicht, darum geht er in der Analyse weiter. „Ist das Problem der Ungleichverteilung des Reichtums des reichsten 1 Prozent und uns 99 Prozent einmal behoben und die künstliche Knappheit beseitigt, kann die Gesellschaft auch mit weitaus weniger Arbeitszeit funktionieren, als wir es bisher gewohnt waren. Die Lebensqualität einer riesigen Anzahl von Menschen würde somit auch steigen. Und würde man sinnlose und unnötige Arbeit zurückschrauben, würde das letztlich auch die Rettung der globalen Mitwelt bedeuten.“ Ende oder doch die Zukunft. Mir kommt die aus den Fugen geratene Balance von technogenem und convivialem Leben in den Sinn. Gastfreundschaft steht neben Algorithmus. Gastfreundschaft entspricht dem Menschen.