Es ist Zeit, wieder neu anzufangen

Nicht nur das alte Jahr ist mittlerweil alt. Auch mein berufliches Umfeld vom vorigen Jahr habe ich im alten Jahr gelassen, in die Geschichte gestellt, bescheiden und ambivalent. Eingestiegen bin ich vor einem Jahr „in das Partei übergreifende Zukunft-Denken“. Dieses Denken und Tun hat als inneres Prinzip „Suprise Factors“ gehabt. Das Aufmerksamkeitsradar für eine offenen Zukunftsgestaltung war nicht begrenzt. „Quer und frei“ stand über dem Horizont. Die Ideen und Erkenntnisse international anerkannter ExpertInnen treffen auf politisch Verantwortliche und EntscheidungsträgerInnen. Partizipativ und involvierend werden die Ideen mit der Bevölkerung gemischt, bis ein konkretes „to do“ sichtbar und realisierbar ist.

Da kam Lust auf, mitzumachen, mitzugestalten und mitzugehen.  Alles Neue „verzaubert irgendwie“. Gleichzeitig fliegt eine Last mit, dass doch alles ganz anders werden kann als am Anfang gedacht. Herausforderungen (oder landläufig Probleme) werden anders, wenn sie in einen anderen Rahmen gestellt werden. Das birgt Überraschungen. Eine interessante Erfahrung. Als Person bin ich in einem anderen Rahmen gelandet, der zu Beginn noch kein Rahmen war. So war es auch gedacht. Der neue Kontext schafft neue Spuren. Neue Personen, neue Ideen, neue Arbeitsweisen, neue Zielsetzungen, neue Werthaltungen treffen auf einen sozial- kirchlich-basis-orientierten Theologen und Kommunikationslotsen. Der war ich. Die neuen Spuren treffen bald auf alte eingegangene Pfade. Schwerkraft dorthin macht sich breit. Ich habe es solange als spannend empfunden, bis einige der großen anfänglichen Leuchtfeuer am Horizont schwächer wurden: unabhängig – quer – surprise – involvierend. Die Spurensuche auf das Neue, das Überraschende, das tiefer Liegende wurde schwerer. Schon viel befahrene Straßen mit noch höherer Geschwindigkeit befahren war die „Ablenkung“.

New Orleans im Herbst hat mir ganz deutlich gezeigt, dass ich mich mit dieser Aufgabe bei Academia nicht auf „meinem Weg“ befinde.  Immer wieder erhob sich in mir der Satz eines Franziskus-Gebetes: „Gib mir das Empfinden und Erkennen, damit ich deinen heiligen Auftrag erfülle, den du mir in Wahrheit gegeben hast.“ Diese Weisheit kam nicht fromm daher. Von Woche zu Woche wurde mir immer klarer, dass dieser Job nicht meine Aufgabe und mein Auftrag ist. Veränderte Rahmenbedingungen forderten mich klar heraus. Wo ist mein Weg? Wo liegen meine Stärken und Fähigkeiten? Schmerzlich war in diesem Zusammenhang die Erfahrung, dass der „konkrete Mensch“ in der (Partei)Politik keine Rolle spielt. Auch der Großteil der ExpertInnen arbeitet „mit und an Systemen“. Die Menschen kommen indirekt nur über Studien und Umfragen vor, nicht aber in seiner „ganzheitlich-haptischen Einzigartigket“. Und so kam die Zeit, „die Geschäfte gut weiterzugeben“ und dem „Unternehmen AS“ alles Gute und Erfolg zu wünschen.

Mein Blick zurück ist gehalten von einem dankbaren Herzen. Offene Augen und Ohren rechnen mit einer neuen „Zumutung“ als meinen konkreten Beitrag zu einer solidarischeren und gerechteren Zukunft. Solidarität und Gerechtigkeit habe ich genauso selten gehört so wie Empathie und „WIR„. Die Hochleistungs-Elite hat keine Zeit mehr zum Philosophieren. Das begründet schließlich unsere postdemokratischen Verhältnisse.
Unsere Eltern haben mir Gott sei Dank drei „Dinge“ gelernt bzw. vorgelebt:
1. Eine eigene Meinung bilden, dazu aufrecht stehen und ins Gemeinsam einbringen.
2. Die Schwächeren und Benachteiligten nie aus den Augen verlieren und für sie da sein.
3. Der gängigen Mehrheitsmeinung mit einer Portion Misstrauen begegnen.

Ein gesunder Hausverstand erspart unnötige Kosten und Mühen. Die tiefe persönliche Intuition zeigt uns den Weg. Die Lösungen liegen in den wertschätzenden, sinnstiftenden Begegnungen und Tätigkeiten. Der Mensch wird in einem „guten WIR auf Augenhöhe“ das Leben am besten meistern. In dieser „Gegend“ will ich weitergehen.

 

3 Kommentare

  1. Eine tiefe Reflexion über Aufbruch zu neuen Ufern, Enttäuschungen, das langsame Verlöschen von „Leuchtfeuern“ der Hoffnung am Horizont – und die Suche nach Neuem. Nur fragt sich jetzt wohl jeder Leser/Follower: Wohin wird es F.K. verschlagen? Für das nurmehr Private ist er wohl nicht geschaffen…, auch wird er wohl kaum die Finger von Theologie und Kirche lassen, oder…? Also: Wo geht’s hin? Wir warten auf Antworten…!

    • Margarete Madlmayr auf 3. Januar 2012 bei 19:33

    Man muss seine Wege gehen, aber auch den Mut haben, die Richtung zu ändern.
    Das fällt mir zu deiner obigen Nachricht ein. Ich gratuliere dir zu deinem Entschluss.

    • Martin auf 12. Januar 2012 bei 14:48

    Georgia
    (Bert Brecht)



    Sieh, diese Stadt
    und sieh, sie ist kalt.
    Erinnere Dich,
    wie lieblich sie war.
    Jetzt betrachte sie nicht
    mit Deinem Herzen, sondern kalt
    und sage, sie ist alt.

    Komm mit mir nach Georgia,
    dort bauen wir halt eine neue Stadt.
    Wenn diese Stadt zu viele Steine hat,
    dann bleiben wir nicht mehr da.


    Sieh diese Frau,
    doch sieh, sie ist kalt.
    Erinnere Dich,
    wie gut sie einst war.
    Jetzt betrachte sie nicht
    mit Deinem Herzen, sondern kalt,
    und sage, sie ist alt.

    Komm mit mir nach Georgia,
    dort lass uns schauen nach neuen Frauen.
    Wenn diese Frauen wieder kalt ausschauen,
    dann bleiben wir nicht mehr da.

    Und sieh Deine Ansichten,
    doch sieh, sie sind alt.
    Erinnere Dich,
    wie gut sie einst waren.
    Jetzt betrachte sie nicht
    mit Deinem Herzen, sondern kalt
    und sage, sie sind alt.

    Komm mit mir nach Georgia,
    dort wirst Du sehen, gibt es neue Ideen.
    Und wenn die Ideen wieder alt aussehen,
    dann bleiben wir nicht mehr,
    dann, dann bleiben wir nicht mehr da.

Kommentare sind deaktiviert.