Ganz Ohr geht weit und sieht in der Natur ein Entwicklungsbild

IMG_9496Die U4 bringt mich vom Schwedenplatz in die Heiligenstadt zum Zug nach Eggenburg. Ein Johannesbruder von Marchegg steigt mit mir in die U-Bahn. Ich spreche ihn an und er kennt mich dann von der Herbsttagung. Er staunt ein wenig wegen meines wandernden Outfits. Ich erzähle ihm von meiner Tour, von meinen vier Fragen. Er steigt drei Stationen weiter aus. Wenig Zeit. Wir sind aber gleich am Wesentlichen. Bevor er aussteigt. „Es kommt eine Zeit der Fruchtbarkeit auf uns zu. Jetzt ist die Zeit, den Samen auszulegen. Das wird sich in 25 Jahren weisen. Evangelii Gaudium ist sehr entscheidend.“ Er „flüchtet“ bei seiner Station hinaus. Evangelii Gaudium habe ich dabei, weil ich es Satz für Satz lesen werde. Die Zeit der Fruchtbarkeit hängt mir nach. Im Zug beginne ich zu lesen: „Die Freude den Evangeliums erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen. Diejenigen, die sich von ihm retten lassen, sind befreit von der Sünde, von der Traurigkeit, von der inneren Leere und von Vereinsamung. Mit Jesus Christus kommt immer – und immer wieder – Freude.“

Auf Augenhöhe und in empathischer Nähe

_P.Sepp_EggenburgIn Eggenburg ist das Redemptoristen-Kloster mein Ziel. Jugendliche beleben das Haus. „Lehrlingsstiftung“ und „Jugendhaus“ steht auf Schildern vor der Tür. Die Klausur ist im ersten Stock. Es ist niemand da. Ich schaue und plaudere etwas mit den Jugendlichen. Da kommt ein bekanntes Gesicht daher. P. Sepp Schachinger hat es irgendwie eilig. Ich halte ihn auf. Er hat jetzt schwer Zeit, weil er nachmittag ein Begräbnis einer 18-Jährigen hat. Der Kopf ist nicht frei für DAS JAHR DER ORDEN. Das verstehe ich. Ich Frage ihn, ob ich ihm die vier Fragen für das Video stellen darf. Ja, das macht er. Gespräche auf Augenhöhe sind seine Mitte. Rand mag er nicht, weil er diese Jugendlichen hier vom gesellschaftlichen Rand als seine und ihre Mitte sieht. Das Begräbnis geht ihm nahe, wie ich ihn danach frage. Ein Mensch steht vor mir mit einer unglaublichen Kraft zur empathischen Nähe. Wer an ihm vorbeigeht, lächelt ihn an und umgekehrt. Irgendwie bin ich sprachlos über diesen Ort für und mit Jugendlichen mitten im Kloster. Ich sitze noch lange in der Kirche, die einen alten Kreuzweg hat, der mit Bildern von Jugendlichen „aktualisiert“ wurde. Viele Menschen wissen nicht, was so ein Pater den ganzen langen Tag macht. P. Sepp lebt Evangelii Gaudium hier in Eggenburg für und mit den Jugendlichen.

Ein weiter Weg und die parallele Autonomie

_Baum4_Baum3_Baum2_Baum1Am frühen Nachmittag geht es ans Gehen. Die Dame im Informationsbüro hat mir eine Karte geschenkt. Da sind auch größer Feldwege eingezeichnet. Mein Ziel ist möglichst wenig auf Strassen von Eggenburg nach Maria Dreieichen (2 1/2 Stunden) und weiter ins Stift Altenburg (2 1/2 Stunden) zu gelangen. Es gelang und es war wunderschön. Die Sonne, der kühlende Wind und diese blühende karge und ausgetrocknete Landschaft. Zwei Bäume führen mit anschaulich vor Augen, was ich im nächsten ON unter dem Titel „Wie kommt das Neue in die Organisation“ beschreibe. Ein alter und ein junger Baum schauen zuerst wie einer aus, dann werden beide sichtbar und schließlich steht der Neue vor dem Alten. Im Vorbeigehen hat sich das Bild total gewandelt, obwohl die zwei Bäume stehen geblieben sind. Dieses Erlebnis im Schauen werde ich morgen Abtpräses Christian Haidinger als Bild für die Ordensgemeinschaften erzählen. Das Junge ist zuerst nur als Teil des Alten sichtbar. Bringst du dich in Bewegung, wird auf einmal das Junge als eigenständig sichtbar. Entfernst du dich, entschwindet das Alte und es steht der blühende Baum in der Landschaft. Da werde ich nochmals nachdenken und einen eigenen Beitrag verfassen. Klarer und mit den Bildern einzeln belegt. Ein spannender Aspekt der Entwicklung von Ordensgemeinschaften lag am Weg. Gut müde führt mich Abtpräses Christian in meine Klosterzelle. Claus Sendlinger von den Designer-Hotels hat ja einmal gesagt: Wenn du heute jemanden etwas ganz Besonderes schenken möchtest, dann Natur, Retreat oder Klosterzelle. Da bin ich.

P. Sepp Schachinger, Redemptorist in Eggenburg