Ganz Ohr hört „mystisch-liebend“ und „Ich habe Zeit“

_ferdl_1000Die Mur in Graz führt hohes Wasser. Der kalte Wind kommt von den schneebedeckten Bergen. Zu Fuß gehe ich vom Bahnhof in die Grazer Innenstadt. Die Franziskanerkirche kommt mir entgegen. Ein Kellner weist mir den Weg. Mein Ohr führt mich an die Pforte und dort treffe ich den Guardian P. Willibald. Er ist überrascht. Ich komme unangemeldet. Wir haben einander noch nicht kennengelernt. Das ändert sich innerhalb von zehn Minuten. Ich nehme Platz und falle mit der Tür ins Haus. DAS JAHR DER ORDEN.

Ein Fremdkörper in der Kirche durch die mystisch-liebende Dimension

_P.Willibald_1000„Wenn so ein Jahr ausgerufen wird, dann zeigt das immer auch ein Manko. Die Ordensgemeinschaften haben in der primär hierarchischen Kirche keinen Platz, sind irgendwie ein Fremdkörper in der Kirche. In Lumen Gentium wird betont, dass die Orden Zeichen für die göttliche Wirklichkeit sind, für die Dimension der bräutlichen Liebe. Das hohe Lieder der Liebe beschreibt die Liebe der Braut und des Bräutigams.“ P. Willibald sieht im Jahr der Orden die Chance, „die mystisch-liebende Sicht als Braut Christi hervorzukehren“. Das Bild vom Volk Gottes hat viele strukturelle Aspekte. Den Orden muss es aber um das „Braut-Bild“ gehen mit der mystisch-liebenden Dimension. Dieses Bild ist eigentlich das „abschließende Bild für Kirche aus der Offenbarung“. Wie kann das zum Ausdruck gebracht werden? Eine Frage, die ihn länger nachdenken lässt: „Nicht organisatorisch, sondern anders.“ P. Willibald stellt ohne Bitternis und doch sehr klar fest: „Das höchst verlorene Gebot in der Kirche ist das Gebot der Gottesliebe. Gott lieben ist uns entschwunden.“ Er sieht die evangelischen Räte und Gelübde als „Lebenskonzept der bräutlichen Liebe.“ Das ist nie geschlechterspezifisch und daher spielen Ämter keine Rolle. Wir nehmen ein Video auf mit den vier Fragen. Ich verabschiede mich und sehe diesen besonderen Aspekt des Ordenslebens in einem neuen Licht – hier in Graz bei den Franziskanern.

Ich habe im Prinzip immer Zeit

_fr.paulusDie Kirche der Barmherzigen Brüder liegt am Weg und so halte ich inne. Das Krankenhaus und vielfältige Wirken der „Brüder“ in Graz ist bekannt. Über die Apotheke bekomme ich Zugang zur Pforte und ich frage nach einem der Brüder. Der Portier wählt eine Nummer und gibt mit den Hörer: „Frater Paulus, bitte.“ Ich bin überrascht. Mein Ohr hört: Kommen sie herauf in den 4. Stock. Ich sitze bei zwei Patientinnen im Cafe. Das mache ich und treffe Pater Prior selbst im Gespräch. Wir gehen auf die windige Terrasse. DAS JAHR DER ORDEN lege ich gleich auf den Tisch neben den Kaffee, den mir Frater Paulus herstellt. „Aufmerksam machen auf die Orden in ihrer verschiedensten Ausprägung und Tätigkeiten in ihrer Sorge um den Nächsten wie bei uns für die Kranken, Alten, Behinderten und Armen. Das ist aber nicht nur ein Jahr, sondern eine Lebensaufgabe: _4gelübde_1000Da sein für den Nächsten im eigenen Charisma.“ Wie kann das geschehe? „Da habe ich noch keine konkrete Vorstellung, wo doch das Ordensleben heute nicht gerade in ist. In jedem Fall medial breit gefächert hinweisen und darstellen. Eine österreichweite Sternwallfahrt würde sich auch anbieten.“ Frater Paulus ist realistisch und er weiß: „Die meisten können heute nichts mit Ordensleben anfangen, kennen es nicht von innen und sollen es kennen lernen können. Unkompliziert.“ Ich merke an, dass es sehr wohltuend für mich war, so unmittelbar und barrierefrei zu ihm zu kommen: „Im Prinzip habe ich immer Zeit.“ Das hört man heute selten. Die beiden Patientinnen kommen noch auf uns zu und wir gehen das Video machen. Es ist auch auf der anderen Seite des Hauses windig. Im Besprechungssaal sammeln sich schon die Verantwortlichen. Es geht um die nächsten Jahre hier in Graz. _Mur_1000Ich schultere den Rucksack und bedanke mich für die Zeit. Die VinziPfarre von Pfarrer Pucher ist mein nächstes Ziel. Es ist ausgemacht und ich werde erwartet.

P. Willibald, Franziskaner Graz

Fr. Paulus, Barmherzige Brüder Graz