Ganz Ohr sieht den Matrazen tragenden Pfarrer und hört die Zukunft der Pfarre

_Pucher_1000Zu Fuß gehe ich in die VinziPfarre in Eggenberg in Graz. Der Weg ist weiter als ich eingeschätzt habe und deshalb fragt die PGR-Vorsitzende Gabi am Handy nach, „wo ich bin“. BeimVinziShop bin ich gerade und komme gleich. Mit Pfarrer Wolfgang Pucher bin ich verabredet. Ich gehe in die Kirche „Grüß Gott“ sagen. Durch den Garten geht es ins Pfarrhaus. Pfarrer Pucher kommt gerade mit einer Roma-Familie mit Matrazen daher. „Einen Moment noch“, bittet er um meine Geduld. Ich nehme den Rucksack ab und genieße den Garten. Das Pfarrhaus ist voll belegt mit Roma und Menschen, die kein Obdach haben.

Ihr habt zu wenig zu tun

_pgr_gabi_1000Wir nehmen im Sitzungszimmer Platz. Pfarrer Pucher ist Lazarist. „Wir haben in dieser Pfarre drei Sozialkreise. Vinzi betreut mit 400 Ehrenamtlichen in 34 Einrichtungen etwa 400 Menschen intensiv.“ Ich habe vieles über die Medien gewusst, aber konkret hier den Menschen erleben, der hinter all dem steht, ist „beeindruckend“. Seit 56 Jahren ist er Lazarist und dieser Tage hat er den 75sten Geburtstag gefeiert. Über Facebook habe ich das mitbekommen und gratuliert. Ich stelle wieder DAS JAHR DER ORDEN in die Mitte. Kurze Nachdenklichkeit kommt auf. Dann meint Pucher: „Es heißt, wir haben keine Leute. Ich sage: Ihr habt zu wenig zu tun. Es gilt, Arbeit zu finden und deutlich zu definieren. Es ist die Arbeit, die MitarbeiterInnen findet. So auch beim Ordensnachwuchs. Die Jungen müssen sogar Arbeit haben, die ihnen über die Ohren wächst.“ Wir sprechen von sinnvoller Arbeit, von wirklich helfenden Tätigkeiten. Pucher: „Die Orden sollten ihre Aufgabe ganz klar sichtbar und vermittelbar neu definieren. Vieles hat sich etabliert und es gibt fast nur mehr einbetonierte Räume. Es bewegt sich gar nichts.“ Pucher spricht auch von seinem eigenen Orden und erinnert an den heiligen Vinzenz, der immer wieder nach neuer Armut gesucht hat. Pucher wird etwas emotional, wenn er pointiert meint: „Wir sollten alles lassen und neu anfangen. Diese Idee ist nicht einfach. Die Geschichte zeigt aber, dass Abspaltungen genau das getan haben.

Radikal neu anfangen

_gruppe_pgr_1000Pucher nimmt die Finger zu Hand. „Erstens: Radikal neu anfangen. Zweitens: Ziele und Aufgaben unbedingt und radikal hinterfragen. Drittens: Die Lebensform so wählen, dass sie sich an den unteren Schichten orientiert. Unser Platz ist unten. Viertens: Der Pomp muss aufhören. Der Pomp ist tödlich.“ Die erste Frage muss immer lauten: „Wo ist der Durst der Menschen?“ Da gehören wir hin. Er erinnert an den Film: Götter und Menschen. Trappisten haben in Marokko mit den Menschen im Volk gelebt und waren einfach da. Wir gehen das Video machen. Gabi, die PGR-Vorsitzende lebt im Pfarrhaus wie so viele andere, lädt mich zum Abendessen. Sie fühlt sich sehr wohl in diesem „sozialen Haus“. Am Abend halte ich vor dem PGR und Gästen einen Vortrag zur „Lebendigen Pfarre“ und meinem Grundanliegen, dass Pfarre ein Ort der gemeinsamen Verantwortung ist und Kirche den Getauften gehört. Es war ein wirklich inspirierender Abend. Dankbar geht es zu Fuß zum Übernachten. Ich gehe noch 20 Minuten und lasse diese vielen Begegnungen nachklingen. Es gibt so gute Menschen.

VinziPfarrer Wolfgang Pucher