Ganz Ohr hört vom Auf und Ab mit Zuversicht

_21speisesaalDas Refektorium ist wirklich groß. Um 7 Uhr bin ich zum Frühstück geladen. Ich bin noch nicht so wach wie die Zwettler Mönche, die vom Morgengebet kommen. Auch hier in aller Frühe schon Gesichter, die hellwach in den Tag schauen. Das eine oder andere wird noch für den Tag besprochen, bevor jeder aufsteht und sich auf die Konventmesse um 8 Uhr einstimmt. Mit dem Abt bleibe ich noch sitzen und wir reden über DAS JAHR DER ORDEN. Er meint: „Wir selber stehen noch mitten in unserem 875-Jahr-Feiern drinnen. Aber die Äbte in der Diözese St. Pölten haben schon begonnen, Überlegungen anzustellen.“ Wir vereinbaren, dass wir gleich nach dem Gottesdienst das Video mit den vier Fragen aufzeichnen. „Die Karwoche braucht noch einiges an Vorbereitung.“

Lateinische Meditation und die Eucharistie als Zentrum

_22kapitelsaal_25kreuzgangUm 8 Uhr versammeln wir uns zum Gebet und zur Messe. Einige haben schon ins Gespräch gebracht, „wieder in die Kirche zu übersiedeln, wo es schon so angenehme 11 Grad hat.“ Alle haben nicht genickt. Vor der Messe war das lateinische Gebet. Ich habe Latein gelernt und doch bin ich so aus der Übung, dass mir dieser Gesang als tiefe Meditation erschienen ist. Die Rollen bei der Eucharistie sind fließend aktiv. Schön, wie alles „zusammenspielt und das Wesentliche spürbar ist“. Die Mönche gehen nachher gleich ans Werk. „Labora“ liegt in der Luft. Ich mache im „Wohnzimmer“ das Video mit Abt Wolfgang. Wir finden noch etwas Zeit über die Entwicklung des Stiftes, das Auf und Ab, die Zuversicht auf Zukunft hin und das gute Zusammenspiel der Waldviertler Stifte zu reden. Dann geht Pater Tobias mit mir einige wichtige Stationen ab. Die alte ganz neu renovierte gotische Stiftskirche. Ich staune nur. Der älteste Kapitelsaal in Österreich mit einer einzigen alles tragenden Säule. Ich denke bei mir: das ist Zeichen für Jesus, der trägt und zusammenhält. Der Kreuzgang wird dann jener Ort, wo ich P. Tobias die vier Fragen stelle. Es ist kalt geworden und der Wind macht es noch kälter. Alle werden irgendwo gebraucht und verschiedene Leute wollen etwas von P. Tobias. Ich bedanke mich für die Zeit, die Gastfreundschaft, das Mit-Sein dürfen in ihrem „Wohnzimmer“ und in der Klausur.

Sprachwelten und Lesestoff

_23evangelii_gaudiumZu Fuß lasse ich das alles nachklingen hinaus in die Stadt Zwettl. St. Pölten und die Schwammelgasse 7 ist mein nächstes Ziel. Bus und Zug bringen mich dorthin. Im Zug von Krems nach Paudorf höre ich 12 Mal „saugeil“ von den Jugendlichen. Sprachwelten erlebe ich. Können jemals Brücken entstehen zwischen der spirituellen feinfühligen öffnenden Sprache und der am Außen und der „Sensation“ orientierten Jugendsprache. Diese kleine 10-minütige Ministudie twittere ich. In St. Pölten will ich die Kleinen Brüder treffen. Ich finde zwar das Haus, „aber das gehört einer Bank und da wohnt nur eine Familie drinnen“, sagt mir die Nachbarin. So betrete ich den Bahnhof und in dieser Minute regnet es in Strömen. Der Zug bringt mich Richtung Westen. Ich hole meinen Lesestoff wieder heraus und komme bis Seite 42. Papst Franziskus schreibt unter 24: „Wagen wir ein wenig mehr, die Initiative zu ergreifen.“ Ich lehne mich zurück, atme durch, sehe den Regen am Fenster ablaufen und denke: Ja, es liegt an uns. Mit Ganz Ohr habe ich den Süden und Osten einmal „erkundet“. Ich freue mich auf den Westen und den zweiten Süden.

Abt Wolfgang Wiedermann, Stift Zwettl

P. Tobias Lichtenschopf, Stift Zwettl