Gott poltert nicht

Nachdem ich einige positive Rückmeldungen auf meine heutige Predigt beim Gottesdienst in Kirchschlag am 6.  August 2011 bekommen habe, stelle ich diese hier zur Verfügung. Es gilt natürlich das gesprochene Wort ;-).

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich hatte jetzt 14 Tage Urlaub. Davon war ich eine Woche am Berliner Höheweg im Zillertal gemeinsam mit anderen unterwegs und zu sechst drei Tage zu Fuss nach Maria Taferl. Wer kennt nicht diese wunderbaren Naturbegegnungen in den Bergen, aber genauso hier bei uns im Mühlviertel.
Es gibt Gott sei Dank eine neu aufkeimende Sehnsucht nach Naturbegegnung. Bei aller Technik, bei allem Fernsehen und den Möglichkeiten des Internets kommt man jetzt wieder mehr drauf, dass der Mensch und gerade Kinder in der Naturbegegnung heil, ja geheilt werden kann. Die Natur ist die beste Therapeutin oder Spielgefährtin. Naturbegegnung meint die unberührte und wilde Natur. Nicht die gezähmte Spielplatznatur oder gar das mit gekauften Spielsachen gerammelt volle Kinderzimmer. Waldkindergärten. Tätigkeiten im Wald. Schwammerlsuchen ist wieder in. Wie oft haben wir auf unserem Weg nach Maria Taferl Pilze gesehen und voller Wehmut stehen lassen müssen, weil wir keine Gelegenheiten hatten, sie zu genießen.
In Vorarlberg wurde der Schulbus wieder abgeschafft und die Kinder dürfen wieder wie wir früher in die Schule gehen. Der Schulweg war ja für uns auch unendlich lange Naturbegegnung und auch Gemeinschaftsbildung. Dort nennen sie das Pedi-Bus. Das gemeinsame Gehen mit den Füssen. Ältere Menschen teilen sich ein und gehen mit den Kindern streckenweise mit. Ich behaupte: Diese Menschen erleben den neuen Wohlstand – den Zeit- und Bewegungswohlstand.
Der Prophet Elija war auch unterwegs. Er ging in eine Höhle, um dort zu bleiben. Nein, er wurde wieder hinausgerufen in die Natur. Gott wollte ihm begegnen, in der Natur, am Berg. Ja, das Berggehen ist im Grunde mit der tiefen Sehnsucht nach Gottesbegegnung verbunden. Darum schreibe ich immer wieder in das Gipfelbuch: viele Wege führen zu Gott, einer über die Berge. Welchem Gott und wie begegnen?
Gott poltert nicht.

Er ist leise. Weder im Sturm, noch im Feuer, wo Macht sichtbar und Angst spürbar wird. Nein, im Säuseln des Windes. Im Einfach da sitzen, schauen, staunen, hören.  Diese Aufmerksamkeit ermöglicht Gottesbegegnung – nicht nur am Berg. Auch hier bei uns in der St. Anna Kirche. Da stehen bei einem angezündeten Licht hier  in der Lichterkapelle.

Wir sehen heute sehr viele selbsternannte Götter, die in den Medien und auf Events (das Fernsehen ist natürlich „Adabei“) dahinpoltern und so die Menschen beeindrucken wollen. Die Naturbegegnung, das Schauen von einem Gipfel in das Land, das Hinhören auf die leisen Töne der Natur macht uns sicher: Gerade diese Menschen sollten wir meiden und ihnen mit ganz großer Skepsis begegnen.  Das ist uns oft nicht klar und Sturm, Beben und Feuer sind beeindruckend. Wir wissen aber selber und spüren, dass das unsere Seele nicht nährt und auch keine Zukunft hat.
Ich durfte in Zürich den CEO vom Gottlieb Duttweiler Institut persönlich kennenlernen. Er hält Vorträge weltweit, wie sich unsere Gesellschaft weiterentwickeln wird. Er hat im Gespräch so nebenbei gemeint: Das Schlimmste ist nicht die Finanzkrise, sondern der rasante Niedergang der Katholischen Kirche. Das hat mich einigermaßen erschüttert. Ich  habe nachher die Gelegenheit genutzt, mit ihm im Zweiergespräch das genauer abzuklären. Warum? –fragte ich ihn. Er meinte: Wer steht heute noch für Werte, die langfristig tragen. Wer hat noch Rituale, die den Alltag auf Gott hin öffnen. Und wer bildet noch eine Solidarität, eine Gemeinschaft, die zweckfrei und ohne Hintergedanken gelebt wird. Wer steht für die uneingeschränkte Würde des Menschen?  Aus seiner Sicht versagt die Elite, die Oberen der Kirche fundamental. Sie sind nur mit sich selbst beschäftigt.
Ich erzähle im von den vielen Pfarrgemeinden, die aber genau das leben. Er bewundert das, aber er weiß, dass das in der Weltgestaltung durch die Eliten und die Oligarchien auf Weltebene keinerlei Rolle spielt. Wir können und dürfen uns nicht auf „die da oben“ verlassen. Das ist aber nicht nur in der Kirche so – auch in der Politik.
Gerade hier lehrt uns die Natur. Es sind schon viele Stürme über manche Landstriche drübergezogen, haben zwar Opfer gefordert, aber die Natur hat sich wieder erhoben. Es kommt auf uns an, dass wir uns erheben.
Betrachten wir einen alten Baum: Da sind schon Generationen davor gesessen und der Baum könnte uns alles das erzählen.
Wir können von der Natur lernen, was Gott uns und auch dem Elija sagen will: Im Kleinen, im Unscheinbaren, oft im Unsichtbaren passieren die wichtigsten Dinge – Dinge, die wirklich tragen und innere Freude und wahre Gemeinschaft stiften.
Elija verhüllte mit dem Mantel sein Gesicht vor diesem Säuseln. Er spürt: Hier passiert das Großartigste, hier ist Gott.
Geht es uns nicht manchmal auch so, dass wir fast beschämt sind von der Schönheit der Natur und den dortigen Zusammenhängen. Hier klopft Gott an unser Herz. Und wir spüren die Großartigkeit. Gestern hat einer auf unserer Terrasse erzählt, was er gerade in der Beobachtung seiner Bienenstöcke alles entdeckt.
Urlaubszeit ist Begegnungszeit – mit Menschen und hoffentlich auch mit viel Natur. In beidem begegnet uns Gott auf wunderbar leise Art. So sei es. Amen.

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Auf diesen Lesungstext bezog sich die Predigt (1 Kön 19, 9a.11-13a):

In jenen Tagen kam Elija zum Gottesberg Horeb.Dort ging er in eine Höhle, um darin zu übernachten. Doch das Wort des Herrn erging an ihn:Komm heraus, und stell dich auf den Berg vor den Herrn! Da zog der Herr vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem Herrn voraus. Doch der Herr kam nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der Herr kam nicht im Erdbeben.Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der Herr kam nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln.
Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.


								

3 Kommentare

    • Rita Haderer auf 7. August 2011 bei 11:23

    Schade, dass ich es nicht miterleben konnte – deine Predigt!
    Der Inhalt war wie immer treffend. Hab mir den Text abgespeichert.
    Schönen Sonntag und noch viele schöne Erinnerungen an deine Wandertage, wünscht dir
    Rita

  1. Gratuliere zum Wechsel in den Klerikerstand! Offensichtlich gab es da eine heimliche Diakonenweihe 😉

    • kaineder auf 9. August 2011 bei 06:50
      Autor

    1. Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.
    2. Die Wort-Gottes-Feier wurde von einem Getauften gestaltet, weil kein Priester da war.
    3. Im Rahmen dieser Feier war die Predigt – also alles im katholischen Rahmen.
    4. Die Kirche gehört den Getauften.

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