Ich bin Atheist

Norbert BlŸm„Ich bin Atheist“ wird auf dem T-Shirt stehen, das ich mir machen lasse. Genau weiß ich noch nicht, wie ich diese Behauptung für die verwunderten Blicke „auflösen“ werde. Muss es überhaupt aufgelöst sein? „Fürchtet euch nicht“ steht auf einem T-Shirt, das ich immer wieder trage. Da haben sich bei feierlichen Anlässen auch schon interessante Gespräche ergeben . Ich werde es beim Atheisten belassen. Mir gefällt das Atheist in diesem Zusammenhang, weil es „etwas“ ablehnt, sich dagegen stellt.  Das liegt mir in diesem Fall am Herzen.

Auf die alten Tage Atheist geworden

„Wo liegen deine Inspirationsquellen?“. Das frage ich #ganzOhr Ordensleute mit meiner Mini-Kamera am Smartphone. Da kommen wirklich interessante Erfahrungen. Gestern war es das Gespräch mit Sr. Kunigunde Fürst, die als Franziskanerin nicht in die Pension, sondern nach Kasachstan gegangen ist. Für mich ist eine Inspirationsquelle das Lesen und da vor allem „Publik-Forum„. Dort entdecke ich wieder den „Zornesruf“ von Norbert Blüm, den Werkzeugmacher, den Bundesminister für Arbeit und Soziales, den Kinderbuchautor, den Kabarettisten. Und genau dieser Zornesruf setzt die Idee mit dem T-Shirt in Gange. Ich möchte mich deklarieren: „Ich bin Atheist, lieber Gott Mammon.“

Ungeschminkt hinschauen und nicht gleichgültig bleiben

Der Zornesruf von Norbert Blüm aus dem Jahre 2012 spitzt sich von Jahr zu Jahr mehr zu. Papst Franziskus, der in den eigenen Reihen im Vatikan von den eigenen Mitarbeitern „belächelt“ wird, wie man unter vorgehaltener Hand erzählt, blickt in dieselbe Richtung, wenn er immer wieder vor dem Mammon warnt und Strukturen des Götzen Kapitalismus anprangert. Das gefällt natürlich den davon profitierenden Eliten nicht. Auch im Vatikan. So mancher Tabernakel ist mit dem Dollar und EURO gefüllt und das „Brot des  Lebens, des Teilens“, Jesus Christus, ist in die Ecke gestellt worden. Medial werden Anbetungsstunden vor dem Altar der Ökonomie zelebriert. Atheisten lächerlich gemacht. Hier der Text von Norbert Blüm als Anregung, Wachrüttler, Sichtverstärker, hin zum Wesentlichen:

„Auf meine alten Tage bin ich Atheist geworden. Ich bekenne: Ich glaube nicht an Gott Mammon. Ich widersage ihm mit allen meinen Kräften. Mammon ist ein gieriger Götze, der sich anschickt, die Welt zu verschlingen. 99 Prozent der Dollar-Billionen, welche den Erdball umkreisen, haben mit Arbeit, Wertschöpfung, Gütern und Dienstleistung nichts zu tun. Es ist der heilige Schein des Geldes, der die Weltwirtschaft erleuchtet. Doch das monetäre Licht ist ein Irrlicht, eine Fata Morgana statt der lebensrettenden Oase.

Geld befördert das Nichts ins Sein. Was sich nicht in Geld ausdrücken lässt, existiert nicht. Die Hostie des Finanzkapitalismus ist das Geld. Mit Kaufen und Verkaufen von Firmen lässt sich mehr Geld verdienen, als in Firmen zu produzieren. Große Unternehmen sind Bankhäuser mit angeschlossenen Produktionsfilialen geworden. Porsche machte in einem Jahr drei Milliarden Euro mehr Gewinn als Umsatz – durch Finanzgeschäfte. Die Aktie transferiert vom Investitionsobjekt zum Spekulationssubjekt. Arbeitnehmer werden abgestoßen, angelegt, im Depot gehalten – wie Aktien.

Auch die Staaten schrumpfen auf einen virtuellen Geldwert. China steht hoch im Kurs, Griechenland nicht. China ist eine Diktatur, Griechenland eine Demokratie. Griechenland könnte möglicherweise zur Höhe des chinesischen Ansehens aufsteigen, wenn es die Akropolis, Delphi, Olympia, Epidauros und ein paar Ferieninseln zu Geld machte. Alles wird gut, spräche dann Gott Mammon.

Längst hat er die Kernbereiche des Staates unterwandert. Das Gewaltmonopol, Ergebnis der mühsamen Zivilisierung unserer Aggressionstriebe, wird zunehmend privatisiert. In den USA soll es mehr Beschäftigte im privaten Sicherheitsgewerbe geben als bei der Polizei. Auch unser Land opfert bereits Teile seiner Hoheitsaufgaben dem Gott Mammon. Vielleicht wird beim nächsten Mal der Bundespräsident nicht gewählt, sondern das Amt versteigert.

Agrarland wird zum Spekulationsobjekt der Großanleger. Das Feld, das sie weltweit bereits besitzen, soll so groß sein wie Westeuropa. Äthiopien schickt sich gerade an, für ein paar Milliarden Dollar Land an einen indischen Investor zu veräußern. Zurück bleiben die mittellosen Kleinbauern. Auch Afrikas Wasservorräte sind ‚privatisierungsgefährdet‘. Man stelle sich einen Verdurstenden in der Sahara vor, der mit Wasseroligarchen einen fairen Preis aushandeln soll. Keine ‚unsichtbare Hand‘, von der Adam Smith träumte, bringt Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht. Es regiert die harte Hand des Geldes.

Selbst wirtschafts- und staatsferne Regionen geraten in den Sog der Geldgier. Die Musik von Bach, Beethoven, Mozart wird zum sponsorenfinanzierten Event. Spitzensportler werden gehandelt wie kostbare Edelsteine. Die Bundesliga verkauft für eine halbe Milliarde Euro Übertragungsrechte ans Fernsehen. So bezahlen wir mit unseren Gebühren den Menschenhandel des Profifußballs.

Auch Liebe und Religion werden unterwandert. Die Scientologen haben das Geschäft mit dem Glauben perfektioniert; Die Erfolge von Freikirchen in Lateinamerika sollen einer ausgeklügelten Marketingstrategie entspringen. Und die Liebe, das Schönste, wozu wir Menschen fähig sind, degeneriert zur Kosten-Nutzen Analyse; die Ehe schrumpft zur Lebensabschnittspartnerschaft. Sie gilt, so lange nichts Besseres kommt. In meinem Umkreis verließ ein Mann seine Frau und drei kleine Kinder, um dem Ruf Mammons zu folgen, der ihn in Gestalt einer jungen russischen Oligarchen-Witwe traf. ‚Das Geld liegt in Moskau auf der Straße‘, war das Letzte, was ich von dem Jüngling hörte. Zu Jesus kam einst ein reicher Mann und fragte, wie er das ewige Leben gewinnen könne. Jesus sagte, er solle seinen Besitz fortgeben und ihm folgen. Mammon fordert, für den Reichtum alles zu opfern. Auch die Liebe.

Gott Mammon kupfert fleißig vom alten Glauben ab. Die neuen Kathedralen sind die gläsernen Bankhäuser, längst höher als alle Kirchtürme, vom Nimbus des Geheimnisses erfüllt. Kein lautes Wort ist im Innern erwünscht. Ihre Priester tragen Gestreiftes, sie kasteien sich im Fitness-Studio. Die Spitzen der Finanzhierarchie sind Gottes Gesandte: ‚Ich bin bloß ein Bankier, der Gottes Werk verrichtet‘, behauptet der Boss von Goldmann Sachs, Lloyd Blankfein.

Und das Volk hängt an den Lippen der Börsenexperten wie einst die Gläubigen an denen der Gottes-gelehrten. Jedes Wort entfaltet eine Wirkung wie vor achthundert Jahren die Kreuzzugspredigten des Bernhard von Clairveaux. Die Börsennachrichten rahmen mit der Wetterkarte die Tagesschau ein – das Wetter und die Börse, das trifft alle Menschen. Und mehr als Sonne, Hagel und Regen entscheidet der Börsenkurs über das Wohl und Weh der Menschen.

Es geht nicht mehr um Schuld und Erlösung, es geht um Schulden und Erlös. Über das, was Sünde ist, wachen heute die Ratingagenturen wie früher die Heilige Inquisition – statt dem Scheiterhaufen droht der Ruin. Manchmal dienen die Urteile dazu, Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Manchmal liegen sie schlicht daneben. Auch das kennt man von den Ketzerprozessen.

Niemand weiß so recht, wer die Märkte sind und wo sie wohnen. Im Himmel? Jedenfalls müssen sie bei Laune gehalten werden, wenn es dem Menschen gut gehen soll. Für die Regierungschefs der Europäischen Union gibt es nichts Wichtigeres als die Frage, ob ihre Beschlüsse Gnade bei den ‚Märkten‘ finden. Die Märkte lieben Opfergaben: Lohnkürzungen und Streichung der Sozialausgaben. Dann lassen sie die Wirtschaft wachsen. Den Priestern Mammons bringt das Bonuszahlungen als Fingerzeig des göttlichen Wohlwollens.

Mammons auserwähltes Volk sind die Vorteilssucher. Jeder kann das sein, der Schnäppchenjäger wie der Großspekulant. Mitunter gibt es – wie in jeder Religion – Abtrünnige. Zum Beispiel George Soros, einst Weltmeister der Währungsmanipulationen, der jetzt die Menschen warnt, dass der Glaube an diesen Gott den Planeten gefährdet. Damit dies nicht zu oft passiert, arbeitet Mammon an der Züchtung des neuen Menschen, mit einem Tresor als Herz. ‚Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen,‘ sagte einst Jesus. Er hatte schon vor 2000 Jahren recht.“