Null Bock auf Humanität

Markus Hengstschläger„Diesem Titel habe ich sicher so nicht zugestimmt“, stellte Univ. Prof. Markus Hengstschläger gestern 24. Mai 2013 am Greisinghof klar. Das EU-Themenjahr „Humanität“ stand für diese Provokation Pate. Ich war als Moderator und Impulsgeber auch eingeladen. Spannend, meinen ehemaligen wissenschaftlichen Leiter bei Academia wieder zu treffen.

Evolution macht Sinn

Sehr schnell hat Hengstschläger klar gestellt, dass es an diesem Abend richtiger Weise um „humanitäres Verhalten“ geht und weniger um die Abstraktion in die „Humantität“ hinein. Zwei anwesende Rot-Kreuz-Mitarbeiter konnten dem sichtlich etwas abgewinnen. „Als Biologe kann ich sagen, dass Evolution Sinn macht“, meint Hengstschläger und eher nur das überlabt, was gebraucht wird und eben Sinn macht. Alles Überflüssige und nicht an die Umwelt „Angepasste“ hat es im Überlebenskampf schwer. Das Bild von Birkenfalter macht die These plausibel. Hengstschläger sieht drei Faktoren, „die das Menschliche ausmachen“:

  1. Der Mensch denkt über Zukunft nach. Das führt zum humanitären Verhalten.
  2. Der Mensch kann auf die Gene pfeifen und sich darüber erheben. Humanitäres Verhalten ist steigerbar.
  3. Der Mensch kann seine Fähigkeiten und Talente entwickeln und so „Neues erfinden“. Er kann Kreativität zulassen.

Hengstschläger betonte im Laufe des Vortrages und mehrmals in der Diskussion, wie wichtig Vielfalt und Zusammenhalt sind („Der Verlierer von heute kann uns morgen retten.“). Humanitäres Verhalten waren noch nie so wichtig wie heute und daher soll es auch „gelehrt“ werden. Die zwei wichtigsten Voraussetzungen für eine „Lebensmächtigkeit“ heute sieht er in zwei Komponenten: Ich muss meine Fähigkeiten, Talente und Grenzen kennen und ich muss „netzwerkfähig“ sein: „Was ich selber nicht weiß oder kann, muss ich mir aus einer Beziehung oder im Team holen können.“ Daher würde ich aus den Ausführungen und der Diskussion heraushören: Voller Bock auf humanitäres und soziales Verhalten.

Notizen am Beiblatt

Herr Markus RubaschBei mir selber – so gestehe ich – schwingt gegenüber der Genetik ein „Vorbehalt“ mit. Darwin hat sich mit dem „Überleben der Starken“ zu mächtig ins kollektive Bewusstsein eingefurcht. Von diesem Vorbehalt hat mich dieser Abend persönlich ein Stück befreit. Ich habe diese dauernden „Rankings“, die permanete „Olympiade, der oder die Beste zu sein“ oder diese „extrinsische Wachstumsideologie“ satt. Dass Hengstschäger an diesem Abend den „sozialen Menschen“ mehr hervorgehoben hat, hat mein Bild ergänzt. Er sieht das als Biologe, um zu überleben. Ich sehe das als Theologe, weil wir als gemeinschaftliche Wesen „konstruiert“ sind. Gott hat uns den „Überlebensstress“ genommen. Ich spüre es so. Gerade die Arbeit bei den Ordensgemeinschaften macht mir nochmals klarer, welcher Reichtum in der Balance von Individualität und Gemeinschaft steckt, gepaart mit dem Zukunftsgedanken, „persönlich nichts haben zu müssen“, weil die Güter gemeinsam genutzt werden, „so wie es jede und jeder braucht“. Aus genetischer und theologischer Sicht sehe ich in den vielfältigsten Modellen von Ordensgemeinschaften einen Schatz, „der heute viel offensiver in die öffentlichen Diskurs eingebracht werden soll und kann.“  Den Ordensleuten sei zugerufen: „Springt über die Klostermauern!“ Der oft hechelnde und suchende Mensch heute sei ermutigt: „Schau doch hin.“ „Das Menschliche ist steigerbar“, meinte Hengstschläger und ich schlage vor, dass die Schätze der Ordensweisheiten nicht brach liegen bleiben sollen. Am Greisinghof kann jede und jeder damit beginnen.

Null Bock? Keine Spur!