Sie sind gnadenlos

neuwirthDie äußerste engagierte und bestens vernetzte Präsidentin des Verbandes katholischer Publizistinnen und Publizisten Österreichs Gabriele Neuwirth hält ihre Eindrücke von den Österreichischen Journalismustagen im Museumsquartier für die Mitglieder fest. Sie schreibt das in pointierter und kurzer Form und so kann ich mir, obwohl ich nicht dabei sein kann, ein Bild machen. Ihre Anmerkungen nach der Keynote von Armin Wolf zum Thema „Machen die Medien die Politik kaputt?“ gingen mir irgendwie unter die Haut. Ich habe den Eindruck, dass hier sehr fundamental das „höllische Karussell Medien und Politik“ einmal von Betroffenen hinterfragt und angeschaut wird. Jede tiefe Veränderung, Revolution beginnt mit dem ungeschminkten Blick auf die Realität. Armin Wolf sagt, „dass Politik irgendwie kaputt ist.“ 5 % haben noch Vertrauen dorthin. Es ist eine tiefe Reflexion notwendig.

Der Handlungsspielraum wird kleiner

Gabriele Neuwirth schreibt in ihrer Zusammenfassung für die Mitglieder folgende Zeilen, wenn sie Armin Wolf zuhört: „Wir müssen Erbarmen mit den Politikern haben. Fürs Geld lohnt sich Politik nicht. Der Handlungsspielraum wird kleiner, Wähler verlangen dennoch weiter eichende Entscheidungen. Wir sollten mehr Respekt mit Menschen haben, die sich das antun.“ Wolf zitiert David Zane Mairowitz, 1992: Große Führungsfiguren brauchen Charisma und Aura, das entsteht nur durch Mystifikation, das ist in einer modernen Mediengesellschaft nicht mehr möglich. „Wir wissen zu viel über Politiker, sie werden auf das Niveau eines Durchschnittsmenschen herabgezogen. Die neuen Medien verlangen nach einem professionellen Auftritt und entlarven das gleichzeitig als Schmierenkomödie.“ Medien wünschen Authentizität und machen sie gleichzeitig lächerlich. „Sie sind gnadenlos. Wir Journalisten und wir Wähler.“

Grausam wird in Social Media mit Politikern umgegangen

Armin Wolf, dem auf Twitter 107.000 Follower nachfolgen, sieht in den Social Media nicht gerade die Ausgeburt von Respekt und Niveau. Neuiwrth hat das so gehört: „Grausame ist der Umgang mit Politikern in Sozialen Medien. Digitaler Pranger, digitale Lynchnotiz. Aber: Politiker beschädigen durch ihren Umgang mit Worten selbst die Politik. Strukturelles Nulldefizit. Oder bei der Hypo: Einmaleffekt. Politiker meinen: Böse Fragen von Journalisten beschädigen Politik und böse Fragen seien nicht verantwortungsvoll. In TV-Sendungen, wo die Möglichkeit der Autorisierung nicht besteht, antworten Politiker gar nicht mehr. Motto: Was ich nicht sage, kann nicht gegen mich verwendet werden. Oder sie lassen sich nicht befragen. Niemand ist gnadenloser, hämischer oder primitiver gegen Politiker als Politiker selbst.

Ein immens ehrenwerter und schwieriger Beruf

Armin Wolf: „Politiker zu sein ist ein immens ehrenwerter und schwieriger Beruf. Wir Medienleute machen es den Politikern nicht einfacher, unser Job ist es, sie zu beobachten und zu kommentieren. Wer damit ein Problem hat, hat ein Problem mit demokratischer Politik.“ Der Fehler der JournalistInnen liegt wahrscheinlich darin, oft nicht das Wichtigste zu behandeln und es fehlt auch oft die Sachkenntnis. „Wir lassen Politikern oft zu wenig Zeit. Es ist auch nicht jede Debatte ein Streit, nicht jeder Ausrutscher eine Affäre, wir sind oft zu hysterisch. Medien sind nicht fehlerlos. Wir arbeiten durch Social Media unter permanenter Beobachtung, das ist gut, macht aber auch Druck. Fehler passieren auch in Qualitätsmedien, weil wir auch gedrängt werden, unter Zeitdruck arbeiten.“ Jetzt verstehe ich viel besser, dass ein Pressefotograf wieder die analoge Fotografie herausholt. Warum? „Es wird alles viel langsamer und der Moment, der Augenblick des Bildes bekommt eine eigene Qualität.“ Er hat recht: Wir drohen in der digitalen Flut zu ertrinken. Herr Wolf, bitte helfen sie hier auch in der ZIB2 mit. Setzen sie neue Standards. Um der Medien und der Politik willen. Es geht um uns alle.