Tag3: Rübenerntemonster trifft auf Klimapilger im Regen

3_Regen_IMG_3426#Klimapilgern war dem Rübenerntemaschinenfahrer vollkommen fremd. Ob er sich jemals ein Bild machen kann von dem, was wir hier tun? Das ist die Frage unserer Gruppe, die wir heute von Asperhofen hinüber in das Stift Herzogenburg unterwegs sind. Sechs Stunden und 24 km. Davon gehen wir drei Stunden im Regen. Tendenz immer heftiger, bis wir gut durchnässt in der Pilgerherberge des Stiftes die Dusche genossen haben. Ob das alles wieder trocken wird bis morgen? Oder ist es ohnehin egal, weil es morgen wieder naß wird? Es sind Fragen, die ihre Antworten finden werden. Spätestens morgen früh. Heute gilt es, in den feuchten Rückspiegel zu schauen.

Tonnenschwere Erntemaschine gibt auf

3_Rübenernte_IMG_3443Nach dem wunderbaren Frühstück gehen wir zur Kirche Asperhofen. Dort warten Maria, Johann, Inge und Veronika auf uns. Wir bekommen den Pilgersegen und Rembert trägt als Impuls ein Gedicht vor. Regen, Sonne, Welt und Feuer sind darin angesprochen. Dass uns heute der Regen trifft, hätten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht gedacht. Am Mittelpunkt von NÖ in Kapelln hat es schon ordentlich geregnet. Ein riesiges Ungetüm kommt auf uns zu. Es ist eine Rübenerntemaschine. Sie hält am Feldweg neben uns an. Der Fahrer bedauert uns, dass wir im Regen gehen müssen. Ich erkläre ihm, der etwa  so hoch über uns schwebt, wie wenn er auf einem alten Predigtstuhl stünde, was wir als Klimapilger tun. Er ist erstaunt und kann damit nicht wirklich viel anfangen. Vielleicht ist es auch das Regenwetter, das ihn zur Untätigkeit treibt. Er ist mit seiner Maschine nicht mehr arbeitsfähig, weil für diesen Boden einfach zu schwer. Er hat es probiert und die fast einen Meter breiten Spuren haben in das feuchte Feld gesucht und sich immer mehr vertieft. Es geht nicht mehr. Ich gehe weiter und denke bei mir, was diese tonnenschwere Agrartechnologie eigentlich mit dem Boden macht. Das kann kein Wurm überstehen. Zerquetscht. Bodenverdichtung auf einem aktiven Feld.

Das hält die Welt nicht aus

3_Anna_IMG_3445Bodenverdichtung hat auch Propst Maximilian Fürnsinn bei der Umweltinitiativen-Veranstaltung im Stift angesprochen: „Die Versiegelung des Bodens kann nicht so weitergehen. Es wird sich aber nichts ändern, solange Hallen und Großmärkte einfach so gebaut werden können ohne die Verpflichtung zum Rückbau nach Beendigung der Geschäfte.“  In verschiedenen Kurzreferaten wurden Themen angesprochen, die für uns KlimapilgerInnen zentral sind: Luxuskonsum und Überlebenskonsum sollte gut unterschieden werden. Graue Energie wird von uns still und heimlich importiert, ohne CO²-Abrechnung. Mit einem internationalen Blick auf Amazonien fragt eine Kayopafrau: Woher nehmt ihr das Recht uns zu bestehlen? Landraub und Ressourcenraub fusst bei sechs von zehn internationalen Großkonzernen auf fossilen Brennstoffen. „Das Vorbild Industriestaaten wie USA und Europa muss fallen. Das hält die Welt nicht aus.“

Das lebensfressende Monster
3_klimagruppe_IMG_3476In den Rucksack der Alternativen, den wir kurz vor der Pause vorstellen dürfen, packen wir viele regionale Projekte. Es hat schon eine Kraft, wenn in den Klima- und Energiemodell-Regionen mehr als 1.000 Klimagemeinden die Unabhängigkeit von fossiler Energie anstreben, vorbereiten, angehen. Von unserer Gruppe sitzt dann Anja Appel am Podium und erzählt von jenen Frauen in der Welt, die mit Überlebenstätigkeiten ihre Tage gefüllt bekommen. „Regionale Strukturen sind aus meiner Sicht viel zu langsam und fast immer systemimmanent. Das System selber ist aber das überdimensionierte lebensfressende Monster.“ Das stellt Anja in den Raum. Und dann sehe ich wieder das Rübenerntemonster vor mir auftauchen, am Feldweg, tief eingefurcht, im Regen. Gut, dass es in der Pilgerherberge warm, trocken und hinter mir so gesprächig zugeht. Erich und Kurt sind zu uns gestoßen. Überall hängt die noch feuchte Pilgerkleidung.  Schon heute hat mich Radio Arabella interviewt. Morgen geht eine Redakteurin ein Stück mit. Ich rate ihr: Regenkleidung auch für das Mikrofon.