1914 – 2014 und der Karnische Höhenweg als Bedenkpfad

GrabenWir sind um vier Jahre zu früh aufgebrochen. 2010 haben wir bei unserem alljährlichen Berggehen den Karnischen Höhenweg begangen. Wir hätten 2014 gehen sollen. Die Wahrnehmung wäre nochmals intensiver gewesen als sie ohnehin war. Mein damaliger Blog-Eintrag zum Weg hat einen Kommentar-Eintrag zur Folge gehabt, der mich heute mehr als damals zum Denken und Erinnern anregt. „Ihr Bericht hat mir sehr gefallen. Erinnerte er mich doch an Erzählungen meines Vaters, der im 1WK als KuK Gebirgsjäger in diesem Bereich jahrelang bei Eis, Schnee und Hitze mit dem Überleben zu kämpfen hatte. Wenn es die Zeit und Gesundheit erlaubt, werde ich auch mal ein wenig diese Erinnerungen erleben. Machen sie weiter so. In Dankbarkeit Richter

Die Natur und die Schützengräben

Graben_GruppeFast ein wenig „unvorbereitet“ sind uns damals die Reste der Kämpfe im 1. Weltkrieg am Weg entgegengekommen. Als wir dann erstmals einem langen noch gut erhalten Schützengraben entlang gingen, war die Aufmerksamkeit der damaligen Zeit und der Ereignisse an der Grenze von Italien und Österreich ständiger Begleiter. Auch wenn uns die Natur mit ihrer unglaublichen Schönheit immer wieder abgelenkt hat, so sind uns die stummen und doch recht klar sprechenden Zeugen der Menschen verachtenden Auseinandersetzungen  „angesprungen“. Da ein kleiner Tunnel, dort eine Abwehrplattform, hier ein ganz alter verteidigter Grenzstein, ein breiter Weg für Pferde, der geschwärzte Felsen oder eingemeißelte Zeichen. Wir sind fröhlich unterwegs gewesen an diesem geschichtsträchtigen Höhenweg. Manchmal eine Anmerkung, ein Innehalten oder ein stummes verwundertes Staunen. Hie und hat einer gemeint: „Unglaublich.“

Lawinen gegen Menschen

BunkerIm Lesachtal haben wir noch einige Tage „angehängt“. Wenn wir Leute auf unsere Beobachtungen „am Weg oben“ angesprochen haben, dann war in den Gesichtern eine „Betroffenheit“ zu sehen und zu spüren. Eine ältere Frau erklärte uns damals: „Die in Wien haben unsere jungen Männer einfach als Kanonen- und Lawinenfutter auf den Berg befohlen. Das ist gar nicht anders als heute, wo so viele Menschen nicht als Menschen behandelt werden.“ Ihre Familie wurde aufgrund der Ereignisse und Kämpfe „da oben“ fast ausgerottet. Die ortskundige Bergbevölkerung wurde als „Sklaven-Material“ eingesetzt oder „befohlen“. Ein anderer meinte: „Die da oben (in Wien) waren nie da oben (am Berg). Es ist aber heute noch genauso auf der Welt. Menschen werden wie Material und Sklaven behandelt.“ Mir fallen heute alle Initiativen und Bemühungen ein, den Menschenhandel einzudämmen. Sr. Beatrix Mayrhofer und viel Ordensfrauen stehen an dieser „Front“ mitten in Wien. Auf einer Hütte fanden wir ein Buch mit Bildern aus dem Krieg. Bis ins Detail wurde beschrieben und gezeigt, wie eine „Lawine als Waffe“ eingesetzt wurde und über 100 junge Männer in den Tod gerissen hat.

Zeit des Wandels

HöhleDas Gedenkjahr 1914 – 2014 wird in vielen Medien begangen. Es ist eine Rückschau, die den Krieg in seiner grauslichen Dimension zeigt und Menschen, „die damals nicht gegen den Krieg aufgestanden sind.“ Es war eine Zeit des Wandels. Ich bin kein Historiker, aber der Eindruck ist ganz offensichtlich: Der Wandel wurde nicht aufgenommen, sondern das Alte mit den alten (kriegerischen) Methoden verteidigt. So geht es mir heute mit Lampedusa. Der Papst hat den Wandel gespürt und als erste Reise wollte er sagen: Europa, stellt euch bitte menschenfreundlich dieser Herausforderung. Gemeinsam. Bisher sind die Mauern hoch. Die Lawinen sind heute das Meer. Heute hat der Papst den Ordensleuten, allen ChristInnen und im Grunde allen Menschen ganz klar gesagt: „Große Veränderungen haben sich in der Geschichte immer verwirklicht, wenn die Realität nicht vom Zentrum, sondern von Peripherie aus betrachtet wurde.“ Der Karnische Höhenweg mit seiner Geschichte und den Menschen damals wie heute ist Peripherie. Mögen sich 2014 nicht die Zentren der Macht in Erinnerung beweihräuchern, sondern wirklich die Perspektive der Peripherie einnehmen. Nicht nur die von 1914, sondern vor allem die aktuellen: 2014. Der Wandel vollzieht sich heute wie damals immer öfter auf Kosten der Menschen an der Peripherie.

3 Kommentare

    • Jakob auf 3. Januar 2014 bei 22:07

    Unvorbereitet sind uns die Überreste begegnet, das ist wahr. Die Schützengräben sind mir aber genausogut in Erinnerung wie das kalte Wasser des Wolayersees oder der anschließende nicht enden wollende Fußmarsch. Man hat es irgendwie gespürt, was da oben mal vor sich gegangen ist, in und um diese Schützengräben …
    Und wer den Weg gehen will – unbedingt am Nassfeld beginnen – und nicht in Sillian 😉

      • kaineder auf 4. Januar 2014 bei 10:48
        Autor

      Jakob hat ganz recht. Unbedingt von Osten nach Westen und nicht umgekehrt, wie in allen Beschreibungen angegeben.

    • Eva auf 5. Februar 2014 bei 20:57

    Guten Abend,
    wir planen gerade unseren Weg auf dem Karnischen Höhenweg und sind auch auf diese Seite gestoßen.
    Auf einigen Wanderungen im Gebirge sind wir bereits auf Überreste von Stellungen von Kriegsschauplätzen (Lagazuoi)gestoßen und wurden so mit den Schiksalen der Menschen die dort stationiert waren konfrontiert. Auch hier werden wir sicher wieder von der Vorstellung betroffen sein was diese Menschen erlebt haben.

    Was uns aber ganz praktisch interessiert ist, warum sollte der Weg unbedingt von Ost nach West begangen werden.

    Auch über sonstige Tipps und Erfahrungen würden wir uns sehr freuen.
    Eine schöne Zeit
    Eva

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